Mercedes dominiert schon zum zweiten Mal hintereinander die F1-Weltmeisterschaft. Natürlich hat die Formel-1 schon viele Dominanzen gesehen und viele dauerten auch länger als nur ein Jahr. Und doch scheint die Mercedes-Überlegenheit die Fans mehr zu verschrecken als ähnliche Dominanzen in der Vergangenheit. Woran liegt das?
Was waren eigentlich legendäre Dominanzen in der Vergangenheit? Jedem wird sofort die Ferrari-Schumacher-Ära von 2000 bis ’04 einfallen, als Michael Schumacher fünf Mal in Folge Weltmeister wurde. Juan-Manuel Fangio schaffte es von 1954-’57 vier Mal in Serie – aber immer mit wechselnden Teams. Der Argentinier hatte ein Händchen dafür zu dem Team zu wechseln, das auch gerade spitzenklassig ist. Quasi das krasse Gegenteil zu Fernando Alonso. Auch Sebastian Vettel wurde vier Mal hintereinander F1-Champion. Und das ist noch gar nicht so lange her: Von 2010 bis ’13, also direkt im Vorfeld der aktuellen Mercedes-Dominanz. Vettel fuhr auch nur für einen Rennstall: Red Bull.
Dass verschiedene Teams über Jahre den anderen überlegen sind, ist auch nichts Neues. McLaren war von 1988 bis ’92 quasi unschlagbar. Danach folgten Jahre, in denen Williams den Ton angab – eigentlich nur durch die ersten zwei Titel von Michael Schumacher für Benetton unterbrochen. Aber diese Teams holten die Titel nie mit einem Fahrer, sondern stets mit verschiedenen. Für Williams dominierte Nigel Mansell 1992, Alain Prost 1993, Damon Hill 1996 und Jacques Villeneuve 1997. Nur selten waren in den Jahren andere Fahrer auf Schlagdistanz, 1993 vielleicht Ayrton Senna, 1997 Michael Schumacher. Aber eigentlich hatten sie schlechteres Material als die späteren Champions.
Dominanzen keine Seltenheit
Und es gab noch die Jahre, in denen ein Fahrzeug ebenfalls überlegen war, aber nicht über mehrere Jahre. 1978 dominierte beispielsweise Lotus die Weltmeisterschaft – aber das ist beileibe kein Einzelfall.
Schon bei der Aufzählung der historisch herausragenden Dominanzen wird deutlich: Es gibt diverse Unterschiede. Und diese Unterschiede erkennen die Fans. Manche Dominanzen waren scheinbar trotzdem spannend, andere werden als langweilig empfunden – wie die aktuelle Mercedes-Überlegenheit.
Wie bereits erwähnt schließt die Mercedes-Dominanz an vier Jahre Überlegenheit von Red Bull an. Während bei Red Bull ab 2011 nur Sebastian Vettel als klare Nummer eins für den Titel in Frage kam, gibt es bei Mercedes dagegen ein offenes Duell. Zwar sind Rennen wie der Österreich-GP, bei dem Nico Rosberg Lewis Hamilton auf der Stecke schlagen kann, in der Minderheit, aber doch hielt sich der Deutsche 2014 bis ins Finale im Titelrennen – und auch aktuell beträgt sein Rückstand auf Hamilton gerade Mal zehn Zähler. Das ist schon ein deutlicher Unterschied zu den Vettel-WM-Jahren, speziell 2011 und ’13, in denen schon früh feststand, dass Vettel Weltmeister werden würde. Das veranlasste die F1-Regelhüter sogar dazu, für das WM-Finale 2014 doppelte Punkte zu vergeben, damit die Chancen gesteigert werden, dass das Titelrennen bis zum letzten Saisonrennen offen bleibt.
Vettel widersetzte sich Anweisungen
Faktisch ist die Mercedes-Dominanz also spannender, als die Vettel-Überlegenheit unmittelbar davor. Doch warum kommt das bei den Fans nicht so an? Der ersichtlichste Unterschied ist das Motorenkonzept. Wurde in den Vettel-WM-Jahren noch mit V8-Sauger gefahren, kommen jetzt die Turbo-Hybrid-Motoren zum Einsatz. Wirklich gut angekommen sind die nur bei den wenigsten Fans – aber das ist nicht einmal der gravierendste Grund, wieso eine große Anzahl an Fans derzeit enttäuscht ist, die Vettel-Jahre aber genossen hat. Wobei auch damals die Begeisterung im Vergleich zu den Vor-Vettel-Jahren schon schwand.
Auch wenn das WM-Duell zwischen Hamilton und Rosberg offen erscheint, so hat man immer wieder den Eindruck der Manipulation durch Mercedes. Die Medien legen jedes Wort der Chefs auf die Goldwaage, suchen akribisch nach Belegen für die Bevorzugung von Hamilton. Vor allem aber sind in der TV-Übertragung immer wieder Funksprüche zu hören, bei denen die Fahrer von den Ingenieuren gesagt bekommen, was sie zu tun haben. Wo sie zu bremsen haben, wo die Reifen zu schonen sind, wo und wie die Bremsen und vor allem: Wann sie den Kontrahenten attackieren dürfen. Zuletzt wurde Nico Rosberg in Kanada mitgeteilt, er solle doch die nächsten Runden Reifen schonen, um dann am Schluss attackieren zu können. Das lässt die Fans einschlafen. Sie wollen Racing sehen, am besten von Runde eins bis ins Ziel.
Die Reifenproblematik war zwar in den Vettel-Jahren noch schlimmer – vielleicht auch deshalb sank auch hier schon das Zuschauerinteresse – aber wenigstens hatten die Fans den Eindruck, dass sich die beiden Red-Bull-Fahrer Sebastian Vettel und Mark Webber nicht an die Anweisungen halten. Beispiel Malaysia 2013, als Vettel angehalten wurde, Webber nicht zu überholen, es aber trotzdem tat. Auch wenn sich der Deutsche damals Kritik aussetzen musste, letztlich wollen die Fans genau das sehen: Racing statt Absprachen.
Zwischen Prost und Senna flogen die Fetzen
Zwischen Vettel und Webber flogen auch mehrfach die Fetzen. Zwar gerieten auch Nico Rosberg und Lewis Hamilton schon aneinander, etwa 2014 in Belgien, aber die beiden galten vor allem vor 2014 als Freunde. Der Begriff mag inzwischen überholt sein, aber so arg verfeindet wie etwa auch Ayrton Senna und Alain Prost in den McLaren-Titeljahren 1988 und ’89 sind sie nicht.
McLaren gewann 1988 15 von 16 Saisonrennen. Nur beim Italien-GP wurde Ayrton Senna beim Überrunden von Williams-Ersatzfahrer Jean-Louis Schlesser abgeschossen. Deutlicher kann ein Team eine Saison nicht dominieren. Aber mit Senna und Prost kämpften zwei Legenden gegeneinander. Zwei Charismaten, die die Fans anzogen und die polarisierten. Sie schimpften offen gegeneinander, sie fuhren sich ins Auto – und das mit Ansage, Senna erklärte zwischenzeitlich sogar seinen Rücktritt. Und sie wurden eben nicht von den Ingenieuren ferngesteuert, weil allein die Technik der Telemetriedatenerfassung und Auswertung nicht schon so ausgereift war.
Aufholen fast unmöglich
Eine solch emotionale Aufladung eines Titelfights wie bei Senna und Prost wäre heute nicht mehr denkbar. Schon alleine, weil die Fahrer von den Teams einen Maulkorb verpasst bekommen und PR-gerechte Kost von sich geben muss. Heute werden die schnellsten Autos eben nicht mehr von emotionalen und leidenschaftlichen Rennteams gebaut, sondern von großen Konzernen, die auf gute Presse angewiesen sind und eben auch akribisch darauf achten, was die Fahrer von sich geben. Als der Aufsichtsratvorsitzende des F1-Teams, Niki Lauda, nach dem Crash seiner beiden Fahrer in Belgien 2014, Rosberg scharf kritisierte, wurde der Österreicher auch sofort wieder hart angegangen und der Bevorzugung Hamiltons bezichtigt.
Ein weiterer, äußerst wichtiger Punkt, wieso die Mercedes-Dominanz derzeit so schlecht ankommt, ist die starke Einschränkung bezüglich der Weiterentwicklung. Lotus dominierte zwar beispielsweise 1978 die WM, aber schon 1979 versanken sie wieder im Mittelfeld. Die Teams hatten noch alle Chancen, egal wann und wie viel aufzuholen und am Auto neu zu konstruieren. Das ist derzeit nicht mehr möglich. Mercedes kann den Motorenvorteil noch lange ausspielen, die Verfolger haben es jedes Jahr schwerer, aufzuholen.
Das war beispielsweise auch in der Vettel-Überlegenheit anders: Red Bull wurden nach und nach ihrer Spielzeuge der Überlegenheit durch Verbote geraubt, etwa der angeblasene Diffusor, das Zwischengas oder andere technische Kniffs. Die anderen Teams hatten daher immer wieder die Möglichkeit aufzuschließen, auch wenn das nie einem Rennstall über mehrere Monate hin gelang.