Ecclestone hat ja die Idee einer Zweiklassen-Gesellschaft in der Formel-1. Zwar ist das nicht mein Wunsch, aber wenn man mal genauer darüber nachdenkt, so ist die Idee vielleicht gar nicht ganz so abwegig - und es gibt auch positive Beispiele wie in der MotoGP: Ich hab daher mal eine Analyse der Ecclestone-Idee gemacht. Was sagt ihr dazu?
Das F1-Starterfeld ist auf eine kritische Größe geschrumpft, weitere Rennställe kämpfen ums Überleben, Neuzugänge gibt es zu selten. Weil sich die Topteams gegen einschneidende Kostenreduzierungsprogramme wehren, hat F1-Boss Bernie Ecclestone seine eigenen Pläne, wie er das Starterfeld auffüllen könnte. Noch stößt er dabei auf wenig Gegenliebe. Aber eine zweite Klasse innerhalb der Formel-1 könnte wirklich Sinn machen.
Ein volles Starterfeld ist aus verschiedenen Gründen wichtig: Es steigert das Spektakel, es erhöht die Chancen auf zusätzliche Nachwuchsfahrer in der Formel-1 und es gehört zu einem gesunden Auftreten einer Rennserie einfach dazu. Am besten wäre, das Starterfeld wird aufgrund eines guten Reglements von alleine voll. Das funktioniert, wenn das Reglement attraktiv (das lockt Fans und Hersteller), sowie günstig ist (das lockt die Privatteams). Beides scheint derzeit nicht der Fall zu sein. Und solange die Topteams in der Strategiegruppe die Regeln austüfteln, darf man sich der Illusion nicht hingehen, dass sich daran etwas ändert. Höchstens, noch ein oder zwei F1-Teams gehen Pleite und das Starterfeld schrumpft so stark, dass auch Red Bull, Ferrari und Konsorten den Ernst der Lage erkennen.
Doch F1-Boss Bernie Ecclestone hat Verträge mit den Veranstaltern. Die garantieren mindestens 16 Autos auf der Strecke. Derzeit sind wir bei 18 Boliden, mindestens Force India, Sauber und Lotus kämpfen aber mit den finanziellen Anforderungen in der Formel-1. Ecclestone hat kein Interesse daran, dass das Starterfeld noch weiter schrumpft, ehe die Topteams endlich einlenken.
Notfallplan mit Kolles und Briatore
Deswegen hat er Notfallpläne geschmiedet, wie er nicht vertragsbrüchig wird. Das betrifft zum Beispiel den Einsatz von dritten Fahrzeugen. Eigentlich müssten die schon kommen, wenn es weniger als 20 Autos im Feld gibt. Aber die Gespräche im Winter haben gezeigt, dass die meisten Topteams gar keinen dritten Rennwagen einsetzen wollen. Man rechnet mit rund 35 Millionen Euro zusätzlichen Kosten. Vor allem müssten die Kosten wohl von den F1-Rechteinhabern getragen werden – und darauf hat selbstredend auch Ecclestone kein wirkliches Interesse.
Auch aus sportlicher Sicht sind drei Fahrzeuge pro Team nicht wirklich reizvoll. 2014 dominierte das Mercedes-Team, aber weil Lewis Hamilton und Nico Rosberg sich auch gegenseitig Punkte wegnahmen, hatte Daniel Ricciardo noch erstaunlich lange Chancen auf den WM-Titel. Wäre der Australier in der Lage gewesen, noch ein oder zwei zusätzliche Rennen aus eigener Kraft zu gewinnen, wäre es eng geworden für Mercedes. Jetzt muss man sich nur vorstellen, es wäre noch ein dritter Mercedes involviert, der Hamilton und Rosberg noch mehr Punkte streitig macht. Dann verliert man die Weltmeisterschaft trotz des besten Fahrzeugs. Mit drei Wagen pro Team ist eine klare Nummer-1-2-3-Fahrerpolitik innerhalb eines F1-Teams unumgänglich – und das wäre auch für die Fans nicht wirklich reizvoll.
Also muss man auch anderen Ideen gegenüber aufgeschlossen sein. Ideen, die die Privatteams schützen und einen F1-Start möglich und finanzierbar macht. Die ersten losen Gedanken waren beispielsweise eine Budgetobergrenze nur für die Privatteams, oder das Auffüllen des Starterfeldes mit GP2-Rennwagen. Inzwischen wurde diese Pläne verfeinert, konkretisiert und zusammengebracht. Ecclestone hat sich Colin Kolles und Flavio Briatore ins Boot geholt. Seiner Vorstellung nach würde das Kolles-Team Kodewa, das auch einen LMP1-Sportwagen baut, auf Basis des 2013er Red-Bull-Bolidens einen eigenen F1-Rennwagen herstellen, denn er kostengünstig an die privaten F1-Teams verkaufen würde. Briatore würde seine Kontakte zu Mécachrome spielen lassen und einen V8-Motor in Auftrag gegeben. Mécachrome liefert schon die Einheitsmotoren in der GP2 und hat auch Erfahrungen in der Formel-1.
Das gesamte Paket würde zwischen 15 und 25 Millionen Euro kosten. Ein Gesamt-Jahresbudget von 50-80 Millionen Euro wäre damit realistisch – und es würde den privaten und kleinen F1-Teams wieder gesunde Rahmenbedingungen schaffen. Die Zweiklassengesellschaft in der Formel-1 wäre damit zwar ganz offensichtlich, aber de facto gibt es diese ja schon jetzt. Und mit einem überlegten Reglement könnte man die Fahrzeuge auch etwa auf das Niveau der Turbo-Boliden bringen. Es bestünde also zwischen den einzelnen Klassen innerhalb der Formel-1 kein derartiger Geschwindigkeitsunterschied wie beispielsweise in der Sportwagen-Weltmeisterschaft zwischen LMP1 und LMP2.
Zwei Klassen in der Formel-1 nicht neu
Natürlich klingt diese Vorstellung einer Zweiklassen-Formel-1 auch für Fans nicht wirklich attraktiv. Und es wird sicherlich auch wieder Argumentationen in die Richtung geben, dass dies nicht der DNA der Formel-1 entspräche. Aber das stimmt nicht: In den 50er und 60er Jahre war es Gang und Gäbe, dass das Feld auch mit F2-Renner aufgefüllt wurde. In den 80er Jahren gab es dann eine eigene Meisterschaft für die Sauger-Teams, die gegen die Turbo-Rennställe keine Chance hatten: Der beste Sauger-Fahrer war Meister der Jim-Clark-Trophy, das beste Sauger-Team Champion der Colin-Chapman-Trophy.
Die beiden Zusatzmeisterschaften wurden zwar nur 1987 ausgeschrieben, aber sie funktionierten. Wegen den Turbomotoren explodierten damals die Kosten und viele Teams mussten aussteigen. 1986 fuhren alle Rennställe mit Turbo-Triebwerken.1987 standen dann schon fünf Sauger-Teams am Start: Tyrrell und AGS wechselten, Leyton House, Larrousse und Coloni stiegen neu in die Formel-1 ein. Geholfen hat sicherlich auch die Tatsache, dass die Turbomotoren damals durch Benzin- und Ladedrucklimits ohnehin eingebremst und für 1988 ganz verboten wurden.
2006 gab es noch einmal eine Ausnahmeregelung, auch wenn damals nur ein Team betroffen war: Toro Rosso wurde zugestanden, noch ein Jahr lang V10-Motoren verwenden zu dürfen, auch wenn nur noch V8-Aggregate zugelassen waren. Und auch wenn man über den Tellerrand hinaus auf andere Rennserien blickt, so funktionieren Zweiklassen-Reglements durchaus: In der MotoGP gibt es seit drei Jahren die Open-Klasse, um das Feld aufzufüllen. Mit einigen Regelkniffs sind die Bikes aus dieser Klasse sogar konkurrenzfähig und fahren nicht nur als Feldfüller hinterher. Vielleicht hat sich Ecclestone bei seiner Idee die MotoGP auch als Vorbild genommen.
Topteams gegen Ecclestones Pläne
Bisher ist Ecclestones Idee noch auf breite Ablehnung gestoßen. Mercedes, Ferrari und McLaren sollen strikt dagegen sein. „F1-insider.com“ berichtet, dass Ecclestone mit diesem Modell Mercedes sogar aus der Formel-1 drängen will. Demnach sehe der Brite seine Führungsrolle durch die Hersteller bedroht.
Fazit: Das Ecclestone-Modell hat viele Nachteile und es wäre ein Eingeständnis der Formel-1, dass Vieles falsch läuft und die Probleme wirklich ernsthafter Natur sind. Aber sie wäre eine Chance, das Starterfeld wieder attraktiver zu gestalten.