In Abu Dhabi sind immerhin wieder 20 Fahrzeuge am Start, das Caterham-Team hat die Rückkehr tatsächlich geschafft. Interims-Teamchef (von Berufswegen eigentlich Insolvenzverwalter) Finbarr O’Connell hat auch Andeutungen gemacht, wieso der Start im Wüstenstaat so wichtig ist: Zwei der drei Kaufinteressenten kommen offenbar aus Arabien. Der dritte Interessent ist offenbar eine Gesellschaft, die nach Angaben von O’Connell aber gut in die Formel-1 passen würde.
Um ein Haar hätte es in Abu Dhabi sogar wieder alle elf Rennställe gegeben, denn auch Marussia arbeitete heimlich, still und leise intensiv am Comeback. Im Fahrerlager wurden sogar Mitarbeiter im Marussia-Teamgewand gesichtet, aber letztlich kam die Rückkehr doch nicht zustande. Der ehemalige Marussia-Geschäftsführer Graeme Lowdon will aber noch nicht aufgeben. Doch der Kampf ums Überleben ist nach wie vor ein Kampf David gegen Goliath. Selbst wenn der unwahrscheinliche Fall eintreten sollte und die beiden Teams schaffen es auch nach Australien 2015: Wer garantiert, dass sie 2015 die Saison überleben? Und sportlich steht jede Weiterentwicklung ohnehin still, möglicherweise könnte dann sogar die 107%-Qualihürde eine Gefahr für Caterham und Marussia werden.
Auch Force India, Lotus und Sauber sind schon finanzkrank, aber das Stadium ist noch nicht so weit fortgeschritten wie bei Caterham und Marussia. Die strauchelnden Teams wollen jetzt nicht nur die Symptome bekämpfen, sondern auch die Ursachen. Force-India-Rennleiter Robert Fernley kennt die Situation der kleinen F1-Rennställe seit Jahrzehnten. In den 80er Jahren leitete er bereits das Ensign-Team, bei Force India ist er ein Urgestein. Im Namen der drei Rennställe Force India, Lotus und Sauber hat er vor dem Abu-Dhabi-GP einen Brief an F1-Zampano Bernie Ecclestone, dem Automobilweltverband und die Spitzenteams geschrieben. Er bat darin nochmal eindringlich, offen an den Verhandlungstisch zurückzukehren.
Im Brief macht Fernley auch deutlich, wie sich die Situation der F1-Teams aus dem Mittelfeld derzeit darstellt. Anders als Mercedes und Ferrari (Automobilkonzerne), Red Bull (Getränkehersteller), sowie Williams und McLaren (Technologieunternehmen) ist die Formel-1 für die drei Teams das Kerngeschäft, externe Einnahmen gibt es wie bei den Topteams nicht. Doch alleine 70-80 Prozent der Einnahmen durch Preisgelder werden schon für die Motoren gebraucht. Mit dem restlichen Geld ist es nur schwer möglich, das Team bei 20 Rennen pro Jahr an den Start zu schicken – der sportliche Wettbewerb mit technischen Weiterentwicklungen ist erst recht eine Herkulesaufgabe. Deshalb verschulden sich die Teams immer mehr. Jetzt setzen sich die drei Teams für eine gerechtere Geldverteilung ein – weil Sparpläne und Ausgabengrenzen von den großen Rennställen blockiert werden.
Doch Ecclestone und die Topteams diskutieren derzeit über Vorschläge, die das Problem der extrem ungerechten Geldverteilung der übertrieben hohen Kosten nicht beheben, sondern wieder nur Auswirkungen etwas entschärfen. Beispielsweise wird über die Rückkehr zu den V8-Motoren nachgedacht. Damit will man gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Die Fans beschweren sich mehrheitlich auch über den miesen Sound der neuen V6-Turbo-Hybrids. Nur: Die höheren Motorkosten hat den hinteren Teams nicht geholfen, das alleine aber ist nicht die Ursache ihrer Miesere. Es halten sich hartnäckig Gerüchte, wonach Marussia zum Beispiel noch keinen Cent an Ferrari für den Antriebsstrang gezahlt hat! Außerdem: Die Hersteller wollen Motoren, die dem Zeitgeist entsprechen. Der Aufsichtsratvorsitzende des Mercedes-F1-Teams, Niki Lauda, macht keinen Hehl daraus, dass Mercedes bei einer Rückkehr von V8-Motoren aussteigen würde, auch Honda ist nur wegen der neuen Motoren zurückgekommen – und auch Renault war eigentlich mit den V8-Saugern unzufrieden. Möglicherweise hat sich diese Ansicht durch die schwachen Leistungen 2014 bei den Franzosen etwas geändert. Vor allem, weil durch den Wegfall von Caterham und dem Wechsel von Lotus zu Mercedes zwei zahlende Kunden wegfallen und sich das Geschäftsmodell daher nicht mehr rechnet.
Auch Ideen einer Zweiklassengesellschaft sind wenig hilfreich. Davon gibt es die verschiedensten. Ecclestone träumt von einer Super-GP, einem etwas modifizierten Dallara-GP2-Rennwagen, der zu günstigen Preisen von den Mittelfeldteams gekauft werden könnte. Was man von der Idee halten soll, bringt Force-India-Pilot Sergio Pérez auf den Punkt: “Dafür fahre ich nicht in der Formel-1.” Möglicherweise unterwerfen sich auch nur die Mittelfeldteams einer Budgetobergrenze und bekommen dafür etwas mehr Geld von der F1-Muttergesellschaft. Aber das könnte die Lücke zwischen den Topteams und den Mittelfeldteams nur vergrößern. Und damit auch die Not der Mittelfeldteams. Denn fürs Verlieren finden sich einfach keine Sponsoren.
Auch Kundenautos sind wieder ein Thema. Sie sind nicht per se schlecht. Die Formel-1 funktionierte bis in die 70er Jahre hinein mit Kundenautos. Ohne Kundenautos wäre Williams nie in die Formel-1 gekommen. Aber: Damals verloren die Hersteller mit dem Verkauf des Kundenfahrzeugs auch alle Rechte am Wagen. Wenn einer Lust hatte, sich ein Ferrari-Chassis zu kaufen und darin einen Renault-Motor einbauen wollte, dann durfte er das. Wenn er den Frontflügel am Ferrari anders konstruieren wollte, dann durfte er das – und genau das wäre in der modernen Formel-1 nicht der Fall, weil es zu viele politische Abhängigkeiten gibt. Wenn sich das Haas-Team ein Ferrari-Chassis kauft und darin einen Mercedes-Motor einbaut, damit die WM gewinnt, dann stehen Ferrari und Mercedes blöd da. Früher war das aber durchaus normal. Den ersten Sieg für Lotus hat Stirling Moss 1960 beim Monaco-GP im Kundenteam Rob Walker Racing herausgefahren. Der Rennstall setzte nie eigene Chassis ein, auch wenn es 1960 entsprechende Pläne gab.
Die aktuelle Krise einiger F1-Teams schadet der gesamten Formel-1. Schlechte Presse, enttäuschte Fans und folglich auch eine Verstärkung des Zuschauerschwunds. “Bloomberg” berichtet, dass daher auch der Börsengang der Formel-1 erneut verschoben wird. Nicht umsonst hat Ecclestone wohl Caterham kostenlos ein Flugzeug zur Verfügung gestellt, um den Start in Abu Dhabi überhaupt erst möglich zu machen.
Die meisten F1-Teams sind aus Großbritannien. Wenn sie pleite gehen, sind viele britische Arbeitsplätze davon betroffen. Deswegen soll Medienberichten zu Folge eine britische Parlamentarierin die Wettbewerbskommission der EU auf den Plan rufen. Die Geldverteilung in der Formel-1, aber auch die Strategiegruppe, in der fast ausnahmslos die Topteams sitzen, könnten gegen das Recht für fairen Wettbewerb verstoßen. Ein Eingreifen der EU könnte die Neuverteilung der Gelder beschleunigen. Die großen Teams bestehen nämlich auf ihre Verträge bis Ende 2020.