2016 soll das F1-Finale ja im Dezember stattfinden. Ich hab hier mal einen ausführlich Blog geschrieben: Wie groß sollte ein F1-Kalender sein und warum? Wo soll gefahren werden und wieso neue Märkte gut sind? Und: Sollten mehr Rennen vom Sommer in den Winter und wieso das durchaus logisch wäre:
Die F1-Saison 2016 wird voraussichtlich erst im Dezember das Finale austragen. Alles scheint eine Folge des zu späten Saisonbeginns, aber die Formel-1 sollte sich fragen, ob das nicht der völlig richtige Trend für die Zukunft ist.
Der F1-Kalender wird oft als Symbol für die F1-Krise betrachtet, weil er das Grundproblem so schön zusammenfasst: Geld regiert die F1-Welt, deswegen stoßen Rennen wie Abu Dhabi und Aserbaidschan in den Kalender dazu, während gleichzeitig Grand Prix in den Kernländern der Motorsportfans gestrichen werden. Erstens um Platz zu schaffen im Kalender, zweitens aber auch, weil F1-Zampano Bernie Ecclestone die Preise anzieht – weil er eben genug Nachfrage aus Ländern wie Russland und Bahrain hat.
Welch irrealen Ausmaße das nimmt, zeigt sich am besten am Beispiel Türkei: Dort entstand für 2005 eine hochmoderne Streckenanlage, die dank der Vierfach-Linkskurve acht durchaus einen Reiz bei den Fahrern hatte. Sieben Jahre wurde in Istanbul das Rennen der zwei Kontinente ausgetragen, dann war kein Geld mehr da – und Fans sowieso nie. Das Rennen wurde gestrichen, die Anlage wird jetzt kaum noch benutzt. In der Türkei gibt es keine Rennsportkultur. Immerhin bestätigt Vural Ak gegenüber „BGN“, dass es Gespräche mit Ecclestone über eine Rückkehr gebe. Ak ist Vorsitzender von Intercity, der Managementfirma der Strecke.
Doch das Klagen um den Kalender ist übertrieben. Auch wenn an einigen Stellen Nachholbedarf besteht.
1. Die Orte der Rennen
Ja, die Formel-1 muss in den Kernländern des Rennsports bleiben. Aber das tut sie auch. Gestrichen wurden vor allem zweite Rennen in einem Land, wie Imola, wie ein Deutschland-Rennen, wie der zweite Spanien-Lauf. Die Zukunft des Großen Preis von Italien über 2016 hinaus scheint so gut wie gesichert, nächstes Jahr kehrt auch Deutschland wieder in den Kalender zurück. Fehlt eigentlich nur noch der Frankreich-GP, aber in Frankreich gibt es derzeit auch keine Streckenanlage, die wirklich F1-tauglich ist. Magny-Cours natürlich, wo bis 2008 der Grand Prix veranstaltet wurde, aber Magny-Cours befindet sich irgendwo im Nirgendwo und die Rennen dort glichen – sofern das Wetter keinen Einfluss nahm – oftmals eher Prozessionen. Le Castellet hat eine gute F1-Teststrecke, aber Rennen dort versprechen auch nicht unbedingt der Knüller zu werden. Trotzdem: Frankreich, Austragungsort des ersten Grand Prix überhaupt vor 109 Jahren muss zurück in den F1-Kalender, am besten mit einer neuen spektakulären Strecke etwa in Paris.
Dass die Formel-1 neue Märkte aufsucht, ist wichtig. Aus vielen Gründen. Länder wie China, Russland und Indien sind für die beteiligten Hersteller von großer Bedeutung. Sie wollen sich auf solchen neuen großen Absatzmärkten ins Gespräch bringen. Zum Beispiel mit einem F1-Rennen. Aus solchen Ländern kommen aber auch viele Geldgeber der Zukunft – für die Rennställe im teuren Motorsportumfeld ebenfalls extrem wichtig. Und darüber hinaus entwickelt sich in Ländern wie Russland und Indien durchaus eine eigene Motorsportszene mit viel versprechenden Nachwuchsfahrern. Als Weltmeisterschaft hat die Formel-1 sogar die Pflicht in solchen Ländern zu fahren. Aber alles muss Grenzen haben. Rennen wie Aserbaidschan kommen nicht aus solchen Motiven in den F1-Kalender. Sie haben darin eigentlich auch nichts verloren, zumindest derzeit nicht.
2. Anzahl der Rennen
Mit 21 Rennen wird es nächstes Jahr voraussichtlich den meist befülltesten F1-Kalender aller Zeiten geben. Bis ins Jahr 2003 waren 16 oder 17 Rennen die Regel – in den 70er Jahren und davor waren es sogar noch deutlich weniger. Damals gab es aber auch noch F1-Rennen, die keinen WM-Status hatten und die Fahrer traten nicht selten auch noch in anderen Rennserien an. Viele wünschen sich die Anzahl von 16 oder 17 Rennen zurück. Und das nicht aus falsch verstandener Melancholie getreu dem Motto „früher war alles besser.“
Stattdessen sind inzwischen viele Fans mit der Anzahl der Rennen überfordert. Ein Grand Prix, der vor 1950 noch als einzelnes Event ein Highlight war, als es noch keine Meisterschaft gab, verliert durch die große Anzahl an Rennen an Wert. Wer heute einen Grand Prix verpasst, dem kümmert es oft wenig – nächste Woche steht ja schon der nächste an.
Natürlich gibt es auch Fans, die das anders sehen und auf andere Rennserien wie die NASCAR, oder auf andere Sportarten wie den Fußball verweisen, die weit mehr Veranstaltungen pro Jahr haben. Aber der zentrale Unterschied: Den F1-Sport zu verfolgen ist aufwändig. Auch Ex-GP-Sieger Gerhard Berger hat erkannt: „Wer heute ein F1-Rennen wirklich verstehen will, der muss sich auch abseits der Rennen damit beschäftigen und viel lesen.“ Die Formel-1 ist kompliziert geworden. Für die Hardcorde-Fans ist das kein Problem. Doch die Masse der Zuschauer will sonntags einfach ein unterhaltsames, gutes Rennen sehen und sich nicht stundenlang mit den Hintergründen beschäftigen. Das geht bei ein paar Rennen, aber nicht bei so vielen. Wer die Formel-1 nicht mehr versteht, der schaltet auch nicht mehr ein. Auch das soll ein Grund für die sinkenden TV-Quoten sein.
3. Die Termine der Rennen
Das F1-Finale steigt 2016 wohl erst am 4. oder 11. Dezember. Es wäre nicht das erste Mal, dass es im letzten Monat des Jahres einen WM-Lauf gibt, aber das erste Mal seit 1963, als der Südafrika-GP erst am 28. Dezember ausgetragen wurde! Es gibt zwei Hintergründe für den voraussichtlich späten Finaltermin 2016: Erstens sind im ursprünglichen Kalenderentwurf die Rennen in Malaysia und Singapur unmittelbar hintereinander, mit nur einer Woche dazwischen. Die räumliche Nähe mit einer zeitlichen Nähe zu verbinden würde den Teams zwar viel Geld sparen, stimmt die Veranstalter in Singapur aber laut „Autosport“ pessimistisch, weil sie dann mit weniger Zuschauern aus Malaysia rechnen. Deswegen soll nicht Abu Dhabi Ende November, sondern eben Malaysia Anfang Dezember das Saisonfinale sein. Zweitens wollen die Teams an einer vierwöchigen Sommerpause festhalten, weshalb die Grand Prix von Belgien, Italien und eben Singapur gegenüber der ersten Kalenderfassung um jeweils eine Woche nach hinten verschoben werden sollen.
Das Dezember-Finale 2016 scheint erst einmal nur eine Ausnahme zu sein. Aber man darf sich durchaus fragen: Sollte es nicht zur Regel werden? F1-Rennen finden stets am Sonntagnachmittag statt – dann also, wenn viele Familien bei gutem Wetter die Sommertage im Freien statt vor dem Fernseher verbringen. Darüber hinaus stehen viele Feste an. Anders als in den Wintermonaten. Die Formel-1 sollte sich die Option, mehr Rennen vom Sommer in den Winter zu verlagern durchaus offen halten. Dass die Formel-1 ein Sommersport ist liegt natürlich an den Wetterbedingungen: Im Winter kann man witterungstechnisch keine Rennen abhalten. Aber seit die Formel-1 immer mehr asiatische Tropenländer und arabische Wüstenrennen in den Kalender aufnimmt, ist das kein Problem mehr. So wie es in den 60er Jahren eben im Dezember und Januar WM-Rennen auf der Südhalbkugel gab, etwa in Neuseeland und Südafrika.