Der Große Preis von China war ein Paradebeispiel dafür, wieso die Pirelli-Reifen für den Rennsport eine Farce sind: Sie verhindern richtiges Racing. Formel-1 sind Sprintrennen, aber inzwischen wird nur noch mit Halbgas gefahren, weil schneller fahren langsamer ist.
Natürlich gab es auch in der Vergangenheit schon Rennen, in denen der Führende seinen Vorsprung verwaltet hat. Das ist immer dann der Fall gewesen, wenn der Zweitplatzierte so weit zurück lag, dass der Sieg fast schon ungefährdet schien. Dann nahm man etwas Tempo raus, um kein zusätzliches Risiko einzugehen und auch das Material zu schonen. Auch gab es schon Ären, da mussten die Fahrer etwas langsamer fahren, weil sonst das Benzin für das Rennen nicht gereicht hat. Das war vor allem in der ersten Turboära der Fall.
Aber es gab eben auch schon Jahre, in denen die Fahrer voll fahren konnten. Das war vor allem in der Ära der Tankstopps von 1994 bis 2009 der Fall. Zwischen dem Nachtanken wurde quasi Qualirunde für Qualirunde gefahren, immer voll am Limit – das war ein gewisser Reiz für die Zuschauer, weil jeder Zeit auch ein Fehler passieren konnte. Und der wurde damals auch noch bestraft, weil es noch wenige asphaltiere Auslaufzonen gab.
Als getankt werden durfte, wurde voll gefahren
Schon damals gab es Kritik, dass immer mehr Taktik ins Spiel kommt. Oftmals versuchten die Teams mögliche Duelle zwischen Fahrern auf der Strecke mit Strategiespielchen zu verhindern. Überholt, so die Kritik damals, wurde quasi nur in der Boxengasse. Natürlich nicht wörtlich gesprochen, sondern sinnbildlich: Positionsverschiebungen gab es mehr durch die Taktik, statt durch Racing auf der Strecke.
Aber das lag damals nicht unbedingt nur an der Nachtank-Möglichkeit, die strategische Spielchen überhaupt erst möglich machte. Das lag daran, dass unabhängig von den Tankstopps just in dieser Ära das Überholen immer schwieriger wurde. Immer ausgefeiltere Aerodynamik, dazu die Veränderung der Maße der F1-Flitzer 1998 führten zu einer rigorosen Abnahme an Überholmanöver – weil der Hinterherfahrende in der verwirbelten Luft des Vordermanns zu viel Abtrieb und damit Tempo verlor. So wurde das Überholen zu schwierig.
Unter anderem um das Überholproblem zu lösen, bekommt Pirelli seit Jahren den Auftrag, möglichst schnell abbauende Reifen zu produzieren. Die Idee dahinter: Wenn Reifen schneller an Haftung verlieren, kommt es zu größeren Tempounterschieden auf der Strecke, das fördert die Überholmanöver. Auch in China lagen zwischen einem frischen und einem abgenutzten Satz Reifen rund zwei Sekunden. Dazu gibt es auch noch zwei verschiedene Mischungen, die beide im Rennen zum Einsatz gebracht werden müssen und die ebenfalls zu Tempounterschieden auf der Strecke führen. Das fördert das Überholen vor allem deswegen, weil manche Fahrer auf älteren Reifen sind, andere schon wieder auf neuen. Das wechselt im Rennen natürlich hin und her, was immer wieder zu Positionsverschiebungen führt.
Nur bei extremen Reifenverschleiß spannende Rennen
Je extremer der Reifenverschleiß ist und je mehr zusätzliche Unwägbarkeits-Faktoren wie ein Safety-Car dazustoßen, desto eher ergeben sich daraus wie in Malaysia gesehen, durchaus spannende Rennen. Oder sagen wir künstlich spannend gemachte Rennen. Doch wenn das nicht der Fall ist, dann erleben wir Rennprozessionen ohne auch nur die Anstrengung eines richtigen Racing-Duells.
Das was wir heute in China gesehen haben, ist der Formel-1 unwürdig. Da beklagt sich Nico Rosberg über dem Funk, dass Lewis Hamilton vorne zu langsam sei, er solle schneller fahren. Man muss sich das mal auf der Zunge zergehen lassen. Ein Juan-Manuel Fangio würde sich im Grab umdrehen, wenn er das zu hören bekommen hätte. An seiner Stelle zu seiner Zeit hätte er Hamilton einfach überholt. Aber das geht nicht. Die Erklärung lieferte Rosberg via Funk gleich mit: „Wenn Lewis nicht schneller fährt, dann komm ich zu nah ran und zerstöre mir im Windschatten die Reifen.“ Racing ist also gar nicht erst möglich gewesen. Und Hamilton fuhr auch nur deswegen etwas langsamer, um eben diese Reifen zu schonen. Langsamer ist schneller – eigentlich ein Irrwitz.
Das Rennen war damit vom Start entschieden. Ferrari war in China nicht in Schlagdistanz zu Mercedes. Mercedes wiederum lässt beide Fahrer auf derselben Strategie verhungern. Positionsverschiebungen dadurch sind undenkbar. Auf der Strecke aber eben auch – wegen den Reifen.