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Nachtanken: Ja oder nein?

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Beitrag Freitag, 05. Juni 2015

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In Kanada scheint nach einem Treffen der F1-Teamchefs die Rückkehr der Tankstopps doch wieder zu den Akten gelegt zu werden. Das Hin und Her zeigt: Der F1-Strategiegruppe fehlt eine Idee, wie die Zukunft der Formel-1 wirklich aussehen soll.

Die Rückkehr des Nachtankens wäre kein Allerheilmittel. Doch F1-Zampano Bernie Ecclestone und CVC-Chef Donald Mackenzie wollen die Tankstopps zurück, weil sie das Ziel verfolgen, die F1-Autos zwischen fünf und sechs Sekunden pro Rennen schneller zu machen um damit wieder an die Spitzenzeiten aus der Saison 2004 herankommen. Die Tankstopps an sich wären dafür nur Mittel zum Zweck. Zwar würde die Benzinmengenbegrenzung von 100 Kilogramm pro Rennen weiterhin bestand halten, aber die Autos könnten sich das Benzin frei einteilen. Die meiste Zeit werden sie mit einem leichteren Fahrzeug fahren und damit wären sie schneller.

Die Fahrer befürworten die Rückkehr des Nachtankens mehrheitlich. Es sorgt dafür, dass die Pirelli-Reifen weniger stark in die Knie gehen und die Fahrer damit nicht allzu sehr auf die Reifen achten müssen. Das Benzinlimit ist ohnehin nur auf wenigen Strecken ein Problem, oftmals könnte damit wieder Vollgas gefahren werden, nicht mehr im Schongang.

Statistik spricht gegen Nachtanken


Die Teamchefs und Ingenieure sehen es anders. Für sie überwiegen die Nachteile. Beispielsweise die Zusatzkosten von einer bis 1,5 Sekunden. Das meiste davon sind die Transportkosten. In einer Zeit, in der viele Teams ums finanzielle Überleben kämpfen, ist das Argument sicherlich nicht von der Hand zu weisen. Auf der anderen Seite verschiffen die Teams etwa 30 Tonnen Material pro Grand Prix um die Welt – vieles davon sind gar nicht die Rennautos oder Werkzeuge, sondern die Motorhomes und Teamhospilities. Die gleichen inzwischen Fünf-Sternen-Luxusrestaurants. Ein Stück weit kleiner würde deutlich mehr Geld sparen, als dass der Transport der Tanksysteme kosten würde. Aber die Teams wollen sich vor den Sponsoren im Kleid des F1-Gigantismus präsentieren.

Das zweite Argument zieht besser: Die Anzahl der Überholmanöver hat sich nach dem Wegfall der Tankstopps 2010 mehr als verdoppelt. Die Zahlen sind auch durchaus vergleichbar: Die Überholhilfe DRS und die schnell abbauenden Pirelli-Reifen kamen erst 2011. Doch nicht die Tankstopps stehen den Überholmanövern im Weg, sondern die extreme Aerodynamik der GP-Rennwagen, die nach wie vor für starke Luftverwirbelungen sorgen, die den Hintermann bremsen. Hier müsste man ansetzen – dann würden auch Tankstopps kein Überholhindernis sein.

Wie viele Fans den Reiz der extrem schnellen Reifenwechsel wirklich vermissen werden, lässt sich nicht belegen – die Tankstoppkritiker führen auch dieses Argument ins Feld. Doch auch beim Nachtanken wird es Schnellere und Langsamere geben, nur halt auf einer Basis von sieben bis acht statt zwei bis drei Sekunden. Die hektischen Reifenwechsel führten immer wieder zu unsicheren Freigaben in der Box, was das Sicherheitsargument, das gegen Tankstopps spricht, wieder aufhebt. Mit einem Einheitstanksystem dürfte die Sicherheit kein Thema werden.

Undercut oder Racing?


Dass die Autos leichter abzustimmen sind, mag stimmen. Aber das führt die Teams nur noch enger zusammen, was also durchaus auch ein Vorteil sein kann. Strategisch sind die Teams bezüglich der Reifen wieder die Hände gebunden: Einen so genannten Undercut gäbe es nicht mehr. Heute bauen die Reifen so schnell ab, dass der Reifenwechsel eine Runde früher reicht, um den Vordermann zu überholen, wenn der zum Service an die Box kommt. Nur muss man sich auch hier die Frage stellen, ob Undercuts wirklich spannend sind, oder ob Positionskämpfe auf der Strecke nicht einen viel größeren Reiz versprühen.

Wahrscheinlich ist es sogar gut, dass das Nachtanken wohl doch nicht zurückkehrt. Es würde die eigentlichen Probleme der Formel-1 nicht lösen. Aber es würde immerhin helfen, die Autos wirklich fünf bis sechs Sekunden schneller zu machen. Denn dieses Ziel 2017 zu erreichen, wird für die Reglementbauer noch eine Herausforderung. Möglicherweise werden zum Erreichen dieses Ziels Maßnahmen getroffen, die noch unpopulärer sein könnten, als die Rückkehr der Tankstopps.

Beitrag Freitag, 05. Juni 2015

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Hier sind noch ein paar historische Fakten:

Vor drei Wochen verkündete die Strategiegruppe, dass das Nachtanken ab 2017 in der Formel-1 wieder erlaubt werden soll. In Kanada einigten sich die Teamchefs darauf, dass man das nicht will. Die letzte Entscheidung ist noch nicht gefallen. Grund genug, ein paar historische Fakten zu den Tankstopps im GP-Sport zusammenzustellen.

Der erste Grand Prix 1906 in Frankreich dauerte zwei Tage (mit Unterbrechung). Logisch, dass da nicht nur die Reifen gewechselt wurden (sie ähnelten mehr Fahrradreifen), sondern auch Sprit nachgefasst werden musste. Doch damals waren solche Maßnahmen nur zwei Personen erlaubt: Dem Fahrer des Fahrzeugs und seinem damals noch vorgeschriebenem Beifahrer. Entsprechend lange dauerten die Boxenstopps.

Als erster Nachtank-Boxenstopp der F1-Geschichte gilt nach weitläufigen Meinungen der Stopp von Nelson Piquet 1982 beim Österreich-GP. Brabham setzte damals die Tankstopps aus taktischen Gründen ein: Man dachte, mit weniger Benzin wären schnellere Rundenzeiten möglich und hätte so trotz der Standzeit einen Vorteil. Das gleiche dachte sich aber auch schon Juan-Manuel Fangio 1957 beim Großen Preis von Deutschland auf dem Nürburgring. Damals kullerte beim Boxenstopp eine Radmutter unter den Maserati des Argentiniers und der Stopp zog sich 48 Sekunden in die Länge. Mit einer beherzten Fahrt auf der schwierigen Nürburgring-Nordschleife holte Fangio die Zeit wieder auf und siegte – für viele der Beleg für das Können des fünfmaligen Champions schlechthin.

Verbot 1984 und 2010


Weil die Turbomotoren in den 80er Jahren so durstig waren, nahm auch Williams die Brabham-Idee auf und führte 1983 Nachtank-Boxenstopps durch. Logischerweise versuchte man den Sprit möglichst schnell ins Auto zu pumpen, dabei gab es ein größeres Feuer an der Williams-Box, weshalb das Nachtanken 1984 verboten wurde.

1994 wurde es wieder aufgehoben, weil die Überholmanöver auf der Strecke immer weiter zurückgingen. Seither spielten sich unzählige Dramen in der Boxengasse ab, etwa als Jos Verstappens Benetton Ford 1994 in Hockenheim lichterloh brannte, nachdem Benetton einen Durchflussregler entfernt hatte. Oder 2008 in Singapur, als Felipe Massa Gas gab, obwohl der Rüssel noch im Tank steckte. Deswegen und durch den absichtlichen Crash von Landsmann Nelson Piquet jr. verlor er 2008 den Titel an Lewis Hamilton.

Natürlich wurden aber auch schon geniale Erfolgsgeschichten geschrieben, der bekannteste Fall dürfte Ungarn 1998 sein, als Michael Schumacher von Ferrari auf eine Vierstoppstrategie gesetzt wurde und so das Rennen durch knallharte Qualirunden am Stück für sich entschied.

Man versuchte anhand der Benzinmenge auch künstliche Spannungselemente zu erzeugen: 2003 musste man sich im Quali bereits mit der Menge qualifizieren, mit der man das Rennen starten wollte. Dadurch ergab sich für Hinterbänkler die Gelegenheit, durch weniger stark betankte und damit leichte F1-Boliden sich im vorderen Feld zu qualifizieren.

Beitrag Freitag, 05. Juni 2015

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War die Sache 98 mit Schumacher nicht in Magny Cours? :wink:

Beitrag Freitag, 05. Juni 2015

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Stimmt, sorry.


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