Hab nen kleinen Kommentar zu den jüngsten Geschehnissen verfasst:
Der Automobilweltverband FIA fungiert in der Formel-1 als Dachverband und Ausrichter der Weltmeisterschaft. Die FIA ist damit auch so was wie ein Schiedsrichter. Nun darf man aber die F1-Schiedsrichter nicht mit jenen vom Fußball, Handball oder Hockey vergleichen. Im Fußball muss innerhalb von Sekunden entschieden werden, ob ein Fußballer im Abseits steht, gefoult hat, der Treffer zählt oder eine gelbe, oder doch lieber die rote Karte die Richtige ist. In der Formel-1 haben die Schiris mehr Zeit die Situationen zu analysieren, über Strafen nachzudenken, und dann bleiben auch meistens noch Raum für Proteste oder Einsprüche. Wer nun aber denkt, dass Schiedsrichter-Entscheidungen in der Formel-1 nur selten angezweifelt werden, der irrt gewaltig. Man wird wohl vergeblich nach objektive Parteien suchen, die jemals begriffen haben, wieso denn der Schwingstilger im Renault von Herbst 2005 bis Sommer 2006 erlaubt war, dann aber plötzlich verboten wurde. Vor allem: Wieso genehmigten einige Schiedsrichter diesen so genannten Massedämpfer und wurden dann von den anderen Schiedsrichtern selbst angezeigt? So viele Fragen der Fall 2006 aufwarf, so viel wirft auch der Fall Lewis Hamilton gegen Kimi Räikkönen, Großer Preis von Belgien 2008 auf.
Vorweg: Auch wenn sich die Fans auf den Tribünen oder vor den Bildschirmen zu Hause auf der Couch mit einer Tasse Kaffe packende und sehenswerte Manöver wünschen und damit die Bestrafung von Hamilton missheißen, so muss trotzdem gesagt werden: Die Strafe für Hamilton geht in Ordnung, das ist auch die überwiegende Mehrheit unter den anderen 19 F1-Piloten. Doch die Schiedsrichter haben den Fall einmal mehr zu einer Lachnummer verlaufen lassen, die viel mehr Fragen als Antworten zu bieten hat. Von hinten aufgerollt: Wieso wurde keine vernünftige Urteilsbegrünung herausgegeben, sondern stattdessen darauf verwiesen, dass der Protest von McLaren Mercedes unzulässig ist? Das stimmt zwar laut Reglement, aber wieso kam der Fall dann überhaupt vor das Berufungsgericht? Gegen Strafen, die während des Rennens ausgesprochen werden oder sich auf das Rennen beziehen bezüglich des Verhaltens des Fahrers, darf nicht protestiert werden. Das würde sonst reines Chaos geben: Jeder Fahrer, der aufgrund einer Strafe eine Ehrenrunde durch die Boxengasse drehen müsste, würde erst einmal Protest einlegen, die Strafe nicht ausführen, das Klassement wäre stark verfälscht, die Berufungsrichter könnten sich vor Arbeit nicht mehr retten.
Hamilton bekam für das Auslassen der Schikane und sich den damit verschafften Vorteil eine Durchfahrtstrafe, die dann zu einer 25-Sekunden-Strafe umgewandelt wurde. Weil das Rennen nur noch 2 Stunden dauerte, darf die Durchfahrtsstrafe gegen eine Zeitstrafe ausgetauscht werden, um Szenen, wie jene beim Großbritannien GP 1998 zu verhindern, als Michael Schumacher in der letzten Runde eine Strafe an der Box absaß, dabei aber die Ziellinie, die durch die Box verlief, überquerte und damit Sieger des Grand Prix wurde. Die Frage, die sich bei Hamilton aber nun stellt: War die Strafe ursprünglich auch wirklich eine Durchfahrtsstrafe? Immerhin wurde die Strafe erst 2 Stunden nach dem Rennen verkündet! Man müsse sich einmal vorstellen, die Rennleiter würden 2 Stunden brauchen, bis sie eine Strafe wegen eines Frühstarts oder wegen zu schnellem Fahren durch die Boxengasse aussprechen! Nicht nur der Belgien GP ließ Kritik über das System der F1-Schiedsrichter aufkommen, das so funktioniert: Jedes Rennen gibt es 3 neu erwählte Schiedsrichter, meistens Menschen, die in Automobilverbänden involviert sind. Die Rennkommissare sind quasi die Schiedsrichter. Der F1-Renndirektor Charlie Whiting ist dafür zuständig, ob das Safety Car auf die Strecke muss, oder ob Strecke und Bedingungen sicher genug sind. Aber nur zu Whiting haben die Teams Kontakt. Also fragte McLaren-Mercedes-Rennleiter Dave Ryan nach dem Hamilton-Manöver bei Whiting an, ob das Manöver legal gewesen sei. Whiting antwortete mit „ja ich glaube schon“, zeigte nach dem Rennen Hamilton aber bei den 3 Rennkommissaren (Nicolas Deschau, Surinder Thatti und Yves Baacquelaine) an.
Das steigert auf keinem Fall die Glaubwürdigkeit des Systems. Wieso können die Teams nicht direkt Kontakt zu den Renndirektoren aufnehmen, sondern müssen dies über Whiting tun, der im Prinzip dabei keinen Einfluss hat? Schon die Zusammensetzung der Renndirektoren ist mehr als strittig. Aus dem Fahrerlager drangen Stimmen hervor, die kritisierten: Surinder Thatti aus Kenia – Kenia? Motorsport – Kenia? Hat der Typ überhaupt Ahnung davon? Im Motorsport sind die 3 Rennkommissare nicht verwurzelt, aber genau das soll ja das Positive am System sein, denn so wird das Risiko für eventuelle Bevorzugungen stark reduziert. Deshalb sind auch Kommissare aus Ländern wie Tschechien oder eben auch Kenia auch beliebter, als welche aus Italien, Spanien oder England, die unter Umständen dazu tendieren, die Landsleute weniger stark und die Gegner dafür härter zu bestrafen. Oft wird nach einem ehemaligen Rennfahrer als Rennkommissar gerufen, aber ein ehemaliger F1-Pilot ohne nachhaltige Beziehungen zu F1-Teams sind schwer ausfindig zu machen: Die Söhne von Nico Rosberg, Nelson Piquet jr., oder Kazuki Nakajima dürften schon mal unter den Tisch fallen. Christian Danner hat Beziehungen zu BMW Sauber, Martin Brundle ist der beste Kumpel von David Coulthard – und so zieht sich das Spielchen durch die Bank. Würde die FIA sich nicht ständig selbst widersprechen, wäre das derzeitige System mit den 3 unabhängigen Rennkommissaren nicht übel.
Zum Schluss bleibt noch klarzustellen: Kenia hat eine lange Motorsporttradition. Obwohl sich kaum jemand erinnern wird: Joginder Singh aus Kenia (heute bereits 76 Jahre) war erfolgreicher Rallye-Pilot und gewann 1965 mit seinem Bruder Jaswant als Beifahrer in einem Volvo die Rallye Sardinien. Zwischen 1973 und 1980 nahm Singh an 8 Rallye-WM-Läufen teil und gewann mit Mitsubishi auch 2 Rennen, jeweils auf Safari. Wie auch sein schärfster Konkurrent aus Uganda, Shekhar Mehta hat Singh indische Wurzeln. Auch Ian Duncan aus Kenia gewann einen Rallye-WM-Lauf, nämlich die Rallye Safari 1994 mit einem Toyota. Weitere erfolgreiche Rallye-Fahrer aus Kenia: Nick Norwicki, Peter Hughes, Robin Hillyar, Edgar Herrmann, Glen Endmunds, Carl Tundo, Azar Anwar, Lee Rose. Dass die kenianischen Namen teilweise englisch oder deutsch klingen ist kein Wunder: Im 19. und teilweise im 20. Jahrhundert war Kenia eine Kolonie von Deutschland und Großbritannien.