Um mal zu der Whiting-Sache zu kommen: ich finde das ist der entscheidende Punkt, und genau wegen dieses Funkspruchs hätte man im Nachhinein diese Entscheidung, das Rennergebnis zu verändern, nie treffen dürfen. Denn was soll McLaren machen, wenn ihnen der Rennleiter sagt "Ich glaube, es war okay"? Ich kann mir gut vorstellen, dass die 1. Reaktion bei McLaren da nicht unbedingt war: "Verdammt Leute, wir müssen nochmal Platz machen, so ausdrücklich wie uns die FIA gerade darauf hingewiesen hat."
Was ich dann genial finde sind so Argumentationen wie die des guten Max Mosley - ich zitiere hier nochmal aus cenizas Beitrag:
ceniza hat geschrieben:
Max Mosley, the FIA President, indicated that Whiting's opinion was not only irrelevant but his evidence inadmissible. "McLaren should not have asked Charlie Whiting whether Lewis had done anything wrong and he should not have answered," Mosley, a trained lawyer lest we forget, insisted. "When rain came down on one of the fastest circuits in the world, with most of the cars on dry tyres, it was a very dangerous situation. If there had been a spin and a collision between two cars, it would have been a nightmare. That is something none of our safety procedures can deal with.
"Charlie was in one of the most highly pressured situations, so teams should not ask and he should not answer, because he is not in a position to give even the beginnings of a considered opinion. His responsibility was to see that nobody got killed."
Also im Klartext: Whiting war überfordert und hätte nicht einmal nur ansatzweise ein "Ja" oder "Nein" zu dem Überholmanöver geben dürfen. Also ganz ehrlich jetzt, redet der gerade über die F1, die ich mir anschaue, wo Haufen von Millionen, gar Milliarden Dollar im Spiel sind, bei der Dutzende Weltkonzerne Investitionen tätigen, und wo alles mit einer klinischen Präzision organisiert wird?
Wenn Charlie Whiting in dieser Situation überfordert war, dann hat er als Rennleiter in der F1 nichts verloren. Der Regen kam nicht unerwartet - man konnte ja Alonsos Funkspruch hören ein paar Runden davor, dass schon an einigen Stellen der Regen einsetzte - und so ein Wetterscreen haben die bei der Rennleitung sicherlich auch. Zudem ja das Überholmanöver zu einem Zeitpunkt war, wo der Regen ja noch nicht so stark war. Und es ist ja auch nicht so, dass dieses Manöver völlig aus einer anderen Welt war, solche Aktionen sind man oft genug um zu wissen, wo etwas regelkonform war und wo nicht.
Für mich stellt sich hier wirklich die Frage, was die F1 überhaupt heute noch für ein Sport ist. Ich meine, in welcher Sportart darf man den "Supervisor" (in der F1 der Rennleiter, im Fußball und anderen Ballsportarten der Schiedsrichter)
nicht fragen, ob eine Situation regelkonform ist? Wie kann man es als Präsident der FIA verantworten, hier einfach zu sagen: "In dieser Situation ist der Rennleiter nicht zuständig"
*. Hab ich da etwas verpasst oder machen die Teams jetzt selbst die Regeln? Dann hätte einer der McLaren-Leute zur Ferrari-Box wohl gehen müssen und die fragen müssen, ob sie happy mit dem Manöver sind? Das wäre ja wohl das allerschönste, wenn die FIA hier zukünftig vor dem Start eintrudelt und dann Charlie Whiting einfach das Startsignal gibt und dann Feierabend macht, mit dem Motto "Sollen sie sich doch selbst ausmachen, wer gewinnt".
Zudem ich auch Mosleys Position höchst fragwürdig finde. Wenn es hier derart problematisch gewesen wäre was die Sicherheit der Fahrer angeht, dann kann man den Teams bzw. den Team-Verantwortlichen nicht die Schuld geben. Dann ist eine Lücke in den Sicherheitsprotokollen der FIA, und man kann der FIA einiges vorwerfen, aber was Sicherheit angeht ist die FIA top präpariert, vergleicht man die Sicherheitsmaßnahmen in anderen Sportarten.
Zum Schluss bleibt für mich hier der bittere Beigeschmack, dass die FIA hier was ihr Regelwerk angeht eine lahme Entschuldigung für ihren eigenen Dilettantismus (?) sucht. Denn man kann von keinem Team verlangen, dass sie Rücksicht darauf nehmen müssen, dass die Regeln nicht klar genug ausgelegt sind und zudem noch, dass der Rennleiter in dieser Situation eventuell überfordert sein könnte. Am besten man baut da eine Mailbox ein, ab dem Moment wo eine gelbe Flagge irgendwo zu sehen ist, bekommt man von der Rennleitung nur mehr die Antwort "Der Teilnehmer ist vorübergehend nicht erreichbar, bitte hinterlassen sie eine Nachricht".
Entscheidend ist Whitings Rolle deswegen, weil er das OK gegeben hat aber er die Rennkommissäre ja auch dazu aufgefordert hat, den Fall zu untersuchen. Ob er überhaupt in der Situation die Person war, an die sich McLaren richten musste, weiß ich jetzt auch nicht, aber es hinterlässt einen sehr schlechten Eindruck wenn gerade die Person, die "glaubt, dass das Manöver okay war" dann zu den Stewards rennt und sagt "Leute, da war was, keine Ahnung ob das korrekt war". Widersprüchlicher geht es fast nicht. Und wenn Whiting für so etwas hier überhaupt nicht zuständig ist, muss er es auch sagen, "Ich glaube es war okay, aber es liegt nicht an mir", oder so. Hier dem McLaren-Team Fehlverhalten vorzuwerfen ist jedenfalls im höchsten Maß lächerlich, und ich bin eigentlich alles andere als ein McLaren-Fan.
* Ist jetzt natürlich meine Interpretation der Aussage von Mosley, aber wenn Whiting tatsächlich zuständig ist, dann darf man ihn wohl auch fragen? Und differenzieren kann man hier nicht: entweder man ist zuständig oder nicht. Halb zuständig gibt es nicht.
Edit: Sorry für den ewig langen Post