Mav,
ich stimme dir vollkommen zu, dass die Kart-WM mehr Rennsport ist, als die FormulaStudent. Die ist letztlich überhaupt kein Rennsport, da es eben kein Racing gibt. Wheel-to-wheel ist verboten, überholt wird nur wenn der zu überholende auf eine andere Spur gewunken wird. Es sind aber eben auch keine Fahrer mit Rennlizenz, sondern Studenten.
Genau deswegen ist das ganze auch ein Konstruktionswettbewerb und fast 1/3 der möglichen Punkte sind bei stehendem Auto zu erhalten.
Beschäftigungstherapie für angehend Ingenieure ist nicht nett gesagt, aber falsch ist es nicht, da kann ich dir auch nicht wiedersprechen. Ich würde es halt eher eine geniale Lernmöglichkeit für angehende Ingenieure mit der Möglichkeit, sich selbst in einem tollen und innovativen Projekt zu realisieren nennen, aber das ist im weitesten Sinne Semantik.
Für nicht involvierte und vor allem für Leute deren Hauptfokus auf Rennsport steht und nicht auf der technischen Seite, ist die FormulaStudent sicher langweilig, das kann ich verstehen. Sie ist aber ja auch nicht als Zuschauersport ausgelegt. Die Zuschauer sind im Regelfall Alumni, Sponsoren, Familienmitglieder und Leute aus der Region (Schulklassen oder einfach nur ne Hand voll Leute, die's ganz lustig finden).
Ich kann auch nicht behaupten, dass es nicht technisch möglich wäre, die Motoren ohne Telemetrie zu betreiben. Wenn man den Herstellern etwa 1 Jahr Zeit gibt, sonst nicht. Man muss einfach die Software, die das ganze automatisch macht dann erst entwerfen, testen, abstimmen usw. Und dieser Prozess dauert selbst mit einem großen Team an Ingenieuren einfach ne ganze Weile. Man muss nur mal sehen, dass auchjetzt schon Autos liegen bleiben, weil die Elektronik spinnt. Und dabei übernimmt der Fahrer über Schalter die meisten Einstellungen und nicht die Software selber. Wenn die Software das dann auch noch aussortieren muss, dann braucht es einfach zusätzliche Entwicklungszeit. Wenn man nicht möchte, dass die Software das macht, dann muss man weiter weg vom technischen Limit. Denn das ist einfach keine Fixgröße, sondern ändert sich laufend im Verlauf des Rennens. Das hat auch denkbar wenig mit der Kraftstoffmenge zu tun. Das wäre noch mit Abstand das einfachste zum Berücksichtigen (klappt ja in der MotoGP ohne weiteres).
Letztlich läuft es darauf, dass du, wenn ich das richtig sehe (korrigier mich gerne), die Technik weniger als Bestandteil der DNA der Formel1 siehst als als ein notwendiges Übel. Zumindest wenn man unter Technik aktuelle Spitzentechnologie versteht und nicht etwas, dass über ein Reglement auf einen alten Stand fixiert wird.
Für mich, und ich glaube auch einige andere, gehört halt der bedingungslose Fortschritt, die bedingungslose technische Entwicklung mit dem einzigen Ziel ne Hundertstel weniger Rundenzeit zu haben, zur Formel 1 dazu. Ich erwarte es aber nicht von der allgemeinen Berichterstattung, dass die mir alles so erklären, wie ich es gerne hätte bzw. so weit in die Materie rein, wie ich interessiert bin. Man muss das ganze im Fernsehen für die technisch nicht vorgebildeten Leute bis zu einem gewissen Grad erklären (können). Wenn das nicht mehr möglich ist, sind entweder die Reporter Müll, oder man ist zu weit gegangen mit der Technik. In meinen Augen sind wir aktuell noch auf dem Bereich, dass die Reporter es verkacken. Gemeinsam mit letztlich dem ganzen Haufen an Leuten, die schon vor dem ersten Motorenstart nur rumgeheult haben, wie blöd das doch alles ist und Spritlimit wäh wäh wäh. Der ganzen Sache wurde von Beginn an ein Schuh angezogen. Das finde ich ehrlich gesagt einfach nur schade.
Zur Frage ob das ganze noch spektakulär ist. Die Karren gehen viel krasser um die Ecke als so einiges, was als das tollste überhaupt empfunden wird aus der Vergangenheit. Das beeindruckende bei diesen Autos (das wiederum unabhängig vom Motor) ist doch die Querbeschleunigung und die Verzögerung. Mit den neuen Motoren ist auch der Kurvenausgang noch interessant. Die Geraden sind, wie in jedem Rennsport, erst einmal langweilig. Wenn man jetzt die Kameras weit weg und hoch positioniert, bekommt man aber kein Gefühl mehr dafür, wie groß die Querbeschleunigung ist. Ich persönlich finde zB. schon, dass Autos die mit 2G um ne Kurve fahren live bemerkenswert aussehen. Auf Videos, wenn die nicht gut gemacht sind, siehts gähnend langweilig aus. Und genau das war doch früher wirklich besser. Da haben die Onboard-Kameras noch vibriert, in Monaco waren die Kameras direkt an der Bande, man hat das Auto vorbeirauschen sehen ohne alles erkennen zu können, dann war's vielleicht auch mal ne Sekunde nicht mehr im Fokus oder garnicht im Bild. Das gibt einfach ein Gefühl von der Dynamik die wirklich drin steckt. Den Zuschauern an der Strecke ergehts ja nicht viel besser. Wo sitzen die denn noch weniger als gefühlte 18km weg?
Hast du mal beim Kartfahren mit GoPros am Kart gearbeitet? Dann weißt du sicherlich, dass es einen RIESEN Einfluss auf das Video am Ende hat, wo man die Kameras positioniert. Die eine Perspektive ist elendig langweilig, in einer anderen wird man an den Bildschirm gefesselt. Wir haben mal ne Kamera auf die vordere Kante vom Unterboden gepackt, beim Bremsen keine 2cm vom Boden weg, Bild nach oben begrenzt durch das Monocoque, links und rechts konnte man die Vorderräder sehen. Da sah letztlich schon das Reifen warmfahren spektakulärer aus als vieles was wir vorher jemals gefilmt hatten. Oder ne Perspektive die durch die hohle Radnabe eines Vorderrads nach außen filmt. Da sieht man wie die Radaufhängung, der Reifen, die Lenkung usw. arbeitet und es ist einfach total dynamisch.
Und dann schaue ich mir die Onboard heutzutage an. Schön weit weg vom Fahrer, man sieht halt wie er am Lenkrad dreht. Traurigerweise ist das immer noch mit die interessanteste Perspektive, da alles von außerhalb des Autos ähnlich spannend gefilmt wird wie ein Carrera-Bahn Rennen. Wenn ich nicht auf technischer Ebene wüsste, was die da leisten, fände ich das am Fernseher genau so spannend wie irgendeine Tourenwagen-Meisterschaft der untersten Klasse. Sieht auch nicht viel langsamer aus am Fernseher, wenn man mal ehrlich ist. Und da sieht man immerhin noch die Bremsscheiben glühen...