Mit 20 Ingenieuren kommt man ja nicht hin, das sind schon ein paar mehr. Selbst an der Strecke schon. In der Fabrik sitzt dann der Rest der Ingenieure mit Hochgeschwindigkeits-Datenlink zur Rennstrecke und arbeitet mit. Das ist wiederum auch schon eher seit 20 als seit 10 Jahren so und keine Änderung gegenüber den V8-Motoren. Wenn du die anstellen willst, brauchst du auch als absolutes Minimum 2 Stunden Vorlaufzeit, eher 6, damit die Betriebsflüssigkeiten auf Temperatur sind, alles gecheckt wurde, beim Motor durchdrehen ohne Benzin und Zündung alles gecheckt wurde usw. Das ist aber letztlich einfach die Situation, bei der man bei dem Rennformat der Formel1 als vollkommen logische Konsequenz ankommt. Die Motoren sollen nur genau so lange halten wie sie müssen, da man sonst Gewicht verschenkt. Bis dahin müssen sie aber am absoluten Limit vom technisch Möglichen mit den erlaubten Materialien arbeiten. Da kann dann die Kühlwassertemperatur nicht wie im Serienbetrieb bei 90Grad +-10Grad liegen (Das sieht nur so aus, als ob die konstant wäre, solange die unter 100 ist und über 70-80 wird "alles gut" angezeigt, damit der Kunde nicht laufend in der Werkstatt ist), sondern zum einen eher in RIchtung 120°C aufwärts, zum anderen mit deutlich engeren Grenzen. Selbiges für Öltemperatur, Öldruck und generell die Temperaturen und Drücke von ungefähr allem am Fahrzeug. Wenn man das nicht mehr kontrollieren darf, muss man auf Sicherheit bauen. Dann wirds zum einen schwer, zum anderen passieren vermutlich garkeine Defekte mehr und außerdem ist es dann einfach kein Motorsport mehr, weil die technischen Möglichkeiten nicht ausgereizt werden.
Falls es noch nicht allen klar ist: Die Ingenieure dürfen und können von ihrer Seite aus im Betrieb des Fahrzeugs keine Veränderungen vornehmen, das muss wenn dann der Fahrer machen. Hörte sich jetzt teilweise so an, als ob das nicht klar ist.
Das Thema Boxenfunk hin oder her hatten wir schon sehr ausführlich. Meiner Meinung nach ist er kein Problem, nur die Art der Übertragung ist von der FOM totaler Müll, weil nur das vermeintliche Fernsteuern übertragen wird. Bevor es diese Übertragungen im Fernsehen gab, fand exakt der gleiche Funkverkehr statt. Sucht mal nach Aussagen von Ross Brawn zu Michael Schumacher und dem Funkverkehr. Zu der Zeit hat sich irgendwie niemand beschwert. In meinen Augen kann das also nicht das Problem sein, aber wenn man es unbedingt verbieten will, dann werden halt Software-Routinen einprogrammiert, die dem Fahrer auf dem Display zeigen was er zu tun hat (Meldungen mit "Bremsen zu heiß" "Motor zu heiß" "2% über Target-Verbrauch" "Reifentemperatur am unteren/oberen Ende des Fensters" oder sogar "Turn 4 Differentialeinstellung am Eingang +/-" sind grundsätzlich machbar. Zwar mit immensem Aufwand vorab, der einem Vielfachen von dem aktuellen an der Strekce entspricht, aber zur Not geht das und es hat sich effektiv nichts geändert)
Ob die Technologie zu krass ist oder nicht ist für mich etwas shcwer zu beurteilen. Ich finde es toll, bin aber eben auch in der Forschung und Entwicklung von modernen Ottomotoren auf dem Bereich der Motorsteuerungen tätig. Also nur bedingt objektiv. Was mir aber auffällt ist, dass die Technologie in der F1 aus irgendeinem Grund als Übeltäter angesehen wird zur Zeit und in der WEC dahingegen für absolute Begeisterung sorgt. Dabei sind die Antriebsstränge in der WEC tendenziell etwas komplizierter, das Reglement sogar bei Weitem. Eine Ursache dafür sehe ich in der Berichterstattung über die neuen PowerUnits von Anfang an. Es wurde von vornherein erstmal von jeder Motorsportseite/Printausgabe schlecht geredet und Bernie hat auch von vornherein nur dagegen gestänkert. Dazu kommt dann, dass sich nahezu keiner der Journalisten mal die Zeit genommen hat, das Zeug vernünftig runterzubrechen und zu erklären. Da werden nur wild Interviews zusammengeklatscht und die Recherche fällt vollkommen unter den Tisch. Der Grundansatz der aktuellen PUs ist nämlich eigentlich nicht so schwer zu erklären, wenn man die absoluten Details einfach weglässt (was nutzt es zu wissen, dass sich der Verbund aus Verdichter, Turbine und MGU-H nur mit 125.000 1/min drehen darf? Nichts, genau. Zumal das auch noch immer als viel dargestellt wird und gleichzeitig in der Serie seit Jahren Turbolader mit der doppelten Drehzahl im Einsatz sind.).
Ich sehe auch nach wie vor eine große Schuld bei Bernie bzw. der FOM in der Berichterstattung. Bei den neuen Autos ist die Tonmischung im Fernsehen mal sowas von absoluter Müll, das geht überhaupt nicht. Auf jedem Youtube-Handy-Video klingen die Autos viel aggressiver und interessanter. Wenn mal ein Auto neben den Leuten bei Sky Sports F1 langfährt, hört sich das auch irgendwie viel geiler an, als alles was ich jemals im Feed der FOM gehört habe. Jeder Journalist im Automobilbereich weiß, dass man für Videos von Autotests das Fahrzeug an guten Stellen mit Mikros bestücken muss und die Soundtechniker basteln müssen, damit für die Zuschauer wirklich rüberkommt, wie es sich in der Realität anhört/anfühlt. Meine Gespräche mit Leuten, die selber vor Ort waren bestätigen das auch.
Damit möchte ich nicht sagen, dass die aktuellen Motoren besser klingen als die V8s oder V10s oder V12s. Rein von der Emotion über Geräusch finde ich die auch besser. Son Hochdrehzahl-Sauger hat einfach ne Menge. Aber ein Turbo beim Anfahren einer Kurve, bei dem man es Fauchen und Zischen hört ist auch einfach nur geil und ist in modernen Sportwagen letztlich auch das, was Einzug hält. Es könnte im Fernsehen meiner Meinung nach eben einfach erheblich cooler klingen ohne etwas faken zu müssen. Aber ob das dann im Interesse von Bernie/der FOM ist? Ein Schelm wer böses dabei denkt...
Neben dem Sound der aktuellen Motoren ist aber insbesondere die Kameraführung und der Schnitt in den letzten 10 Jahren das absolut schlimmste was es gibt. Die Kameras sind soweit weg wie nur möglich und gehen immer mit Zoomen und Drehen so mit dem Auto mit, dass man überhaupt kein Gefühl für die Geschwindigkeit bekommt. Vor jeder Kurve wird geschnitten auf die Kamera die die nächste Gerade entlang den Kurvenausgang filmt und man bekommt genau garnicht mit, wie krass die Karren um die Ecke gehen. Beschleunigung und Bremsen wird auch nicht vermittelt durch diese Art der Kameraführung. Und genau die Bereiche der irren Längsbeschleunigung (insbesondere) Bremsen und Querbeschleunigung sind doch das, wo die F1 Autos irre sind. Die 320 auf der Geraden sind vollkommen unspektakulär. Die unter 100m auf 80 sind das, was beeindruckt. Da machen es andere Rennserien einfach besser. In LeMans hat man an einigen Stellen gesehen, wie die LMP1 Fahrzeuge durch die Schikanen getänzelt sind als ob die Reifen mit der Straße verzahnt wären. In der F1 hatte ich in den letzten 5 Jahren definitiv nie das Gefühl, dass die abnormal um die Ecke gehen. Vielleicht mal in Monaco oder bei ganz vereinzelten Onboard-Perspektiven. Aber im Allgemeinen sieht man die da halt langeiern. Ja, es sieht schnell aus, aber man bekommt nicht das Gefühl, dass das um Größenordnungen krasser ist als das, was man mit einem Seriensportwagen machen könnte. Wenn man sich die alten Aufnahmen aus den 70er oder 80ern anschaut, dann sieht das irgendwie viel krasser aus. Und die waren definitiv erheblich langsamer unterwegs. Woran das wohl liegt.
Über eine ganze Menge technischer Details kann man wunderbar diskutieren, aber ich glaube nicht, dass das wesentliche Problem darstellt. Wenn das Rennen einfach geil aussieht, dann interessiert auch mich das erstmal n feuchten Furz, mit was für Motoren, Reifen, Bremsen usw. die da rumfahren. In LeMans gab es einige riiiichtig geile Zweikämpfe im GT-Feld. Die habe ich mir sehr gerne angeschaut im Feed und es hat einfach super Bock gemacht. Obwohl die Technik da aus meiner Sicht jetzt nicht sonderlich abgefahren ist.
Im Rennen muss es einfach spannend sein. Man muss begeistert davor sitzen und sich denken "Das geht doch garnicht" Sowohl in Bezug auf das was die Fahrer da machen als auch das was die AUtos leisten. Und das geht nicht über Zahlen, sondern über gute Bilder. Die ganze Vor- und Nachberichterstattung ist dann eine andere Geschichte. Da kommen dann die Zahlen und die technischen Details und was weiß ich. Da finde ich es dann beeindruckend, dass die mit 5G verzögern. Im Rennen ist das für mich eine Zahl, die mich kein Stück begeistert oder fesselt. Da ist dann natürlich auch der Sound der Autos ein Punkt und so wie das aktuell am Fernseher ist, geht's überhaupt garnicht, egal wie toll man die Motoren finden mag (ich finde die ja recht cool, aber auch nicht der Wahrheits letzter Schluss). Man sollte aber vor einer Änderung des technischen Reglements an der Stelle vielleicht erstmal versuchen, die Stimmung bzw den Sound von der Strecke sauber ins Wohnzimmer zu bringen und dann weiter machen. Soweit ich informiert bin, arbeitet die FOM nach wie vor mit exakt den gleichen Abmischungen und Mikrofonen wie in der Zeit der hochdrehenden Saugmotoren. Jeder Soundtechniker schlägt da die Hände über dem Kopf zusammen.
Neben den ganzen Sachen kann man dann auch sicher am technischen Reglement eine ganze Menge verbessern. Da gibt es auch eine Menge verschiedener Sichtweisen, die man vertreten kann. Für mich muss die F1 immer noch die Technik in gewissen Grenzen bis ins Extrem ausreizen. Welche Grenzen das im Einzelnen sind, sei mal dahingestellt. Man sollte nur erstmal bei den anderen Punkten anpacken. Und dann halte ich es für sinnvoller, die Antriebsstränge erstmal gleich zu lassen, bei der Entwicklung etwas mehr Spielraum zu lassen und mit Änderungen was die Reifen und die Aerodynamik angeht für mehr Grip zu sorgen (=bessere Rundenzeiten) und das Hinterherfahren wieder mehr zu ermöglichen (sprich: Frontflügel erheblich vereinfachen und beschränken). Bei den Reifen sollte es auch in die Richtung gehen, dass man die für mindestens 10 Runden richtig hart rannehmen kann bis sie schrott sind. Mit Schonen halten die dann länger, aber man ist eben langsamer. Das war schon immer so und macht es letztlich auch spannend. Aber ein Reifen, der nach 2 harten Runden hin ist, ist Quatsch, da sind sich alle einig. Tankstopps sind mir ehrlich gesagt egal. Es wäre für den Reifenhersteller sicher einfacher, dafür dann Reifen zu bauen und die Autos wären auch sofort 2-3 Sekunden schneller. Andererseits ist das Sicherheitsrisiko (und auch die Kosten) schon erheblich. Einen Benzinbrand an einem heißen Rennfahrzeug beim Nachtanken habe ich einmal selber aus allernächster Nähe erlebt (sprich Augenbrauen weg, Haare verkokelt usw) und wünsche das absolut keinem. Selbst wenn alle feuerfeste Anzüge und Helme tragen und der Feuerlöscher direkt da ist (das war er bei uns glücklicherweise, dementsprechend ist nicht schlimmes passiert), ist das einfach *böses wort*. Aus der Sicht verstehe ich jeden in den Teams, der dagegen ist. Letztlich bin ich mir nicht sicher, ob es an der Spannung im Rennen so viel ändern würde. Es wäre für das erste Jahr etwas neues und damit erstmal interessant, aber da sind Änderungen bei Reifen und Aerodynamik für das Racing auf der Strecke in meinen Augen wichtiger und man sollte vielleicht versuchen, nicht alles auf einmal umzuschmeißen. Wenn man das alle 2-4 Jahre macht, kommt man auch nie irgendwo an.
Zu weiteren technischen Sachen lasse ich mich hier nicht aus, es soll ja eine Grundsatzdebatte sein