Es hat schon immer dominierende Teams in der Formel-1 gegeben. Alleine in diesem Jahrtausend erlebten wir fünf WM-Titel von Michael Schumacher in Folge, sowie vier von Sebastian Vettel in Serie. Solche Serien sind in der F1-Geschichte selten, aber sie häufen sich in der Moderne. Weil Aufholen immer schwieriger wird. Ein Kräfteverhältnis ist schnell einzementiert. Die Saison 2015 produzierte einige interessante Rekorde und Statistiken, die gleichzeitig auch Gründe sind, wieso die Formel-1 derzeit in den Augen zahlreicher Fans so langweilig ist.
1) 15 von 19 Sieger schon nach Runde eins vorne
Mercedes schon im Vorjahr ähnlich dominant. Aber es gab noch zwei Faktoren, die zumindest ein stückweit Unberechenbarkeit lieferte: Zum einen war auch Mercedes in der neuen Turbo-Hybrid-Ära noch anfällig für Defekte. Zum anderen lieferten sich Lewis Hamilton und Nico Rosberg teamintern einen spannenden Kampf. In diesem Jahr war das anders: Hamilton war deutlich besser als Rosberg, der erst zu spät wieder auftaute. Meist war das Rennen also schon entschieden, bevor das Wochenende los ging. Spätestens aber nach dem Start wusste man, wer gewinnt – weil die Mercedes-Fahrer auch keine unterschiedliche Strategien fahren dürfen und daher nur gemütlich hintereinander herfahren. In 15 von 19 Rennen gewann jedenfalls der Fahrer das Rennen, der schon in Runde eins vorne lag. Nur 1965 war die Quote noch höher, als das in acht von zehn Rennen der Fall war. Damals dominierte Jim Clark mit seinem Lotus-Cliamx die Weltmeisterschaft. Zeitzeugen berichten: Langweilig war's damals nicht – weil Rennsport noch ein Abenteuer mit vielen Unwägbarkeiten und Unbekannten war.
2) Top-10 sauber aufgereiht nach Teams
Auch das gab es noch nie: Die Top-10 der Fahrerwertung ist sauber nach Teams geordnet: Erst die beiden Mercedes mit Lewis Hamilton und Nico Rosberg, dann die beiden Ferraris mit Sebastian Vettel und Kimi Räikkönen, gefolgt von den beiden Williams-Mercedes von Valtteri Bottas und Felipe Massa, den beiden Red-Bull-Renault von Daniil Kvyat und Daniel Ricciardo, sowie die beiden Force-India-Mercedes von Sergio Pérez und Nico Hülkenberg. Das spricht dafür, dass das Kräfteverhältnis auf der Strecke recht klar verteilt war und ist auch kein Indikator für spannende Rennen. Überraschungen oder gar Sensationen gab es kaum – von genau solchen lebt aber der Sport. Nur die Saison 2002 kommt annähernd an diesen Rekord heran. Der Endstand der Fahrer-WM damals: 1. Michael Schumacher, 2. Rubens Barrichello (jeweils Ferrari), 3. Juan-Pablo Montoya, 4. Ralf Schumacher (jeweils BMW-Williams), 5. David Coulthard, 6. Kimi Räikkönen (jeweils McLaren-Mercedes), 7. Jenson Button, 8. Jarno Trulli (jeweils Renault). Eddie Irvine wurde mit seinem Jaguar-Ford-Cosworth WM-Neunter, Teamkollege Pedro de La Rosa aber nur WM-21.
3) Rekord: Zum zweiten Mal nur zwei siegreiche Teams
Zum achten Mal wurden die Siegerpokale nur auf zwei Teams verteilt. In diesem Jahr gewannen lediglich Mercedes und Ferrari GP-Rennen. Was aber ein Rekord ist: Weil auch 2014 nur zwei Teams siegten (Mercedes und Red Bull) gab es erstmals zwei hintereinander folgende Jahre mit nur zwei Sieger-Mannschaften. Das zeigt, wie eingefahren Kräfteverhältnisse in der modernen F1-Ära sind. Die anderen Jahre mit nur zwei siegreichen Rennställen: 1950 (Alfa Romeo und Kurtis Kraft Offenhauser), 1952 (Ferrari, Watson-Offenhauser), 1961 (Ferrari, Lotus-Climax), 1988 (McLaren-Honda, Ferrari), 2000 (Ferrari, McLaren-Mercedes) und 2007 (Ferrari, McLaren-Mercedes). 1950 und '52 wurden alle F1-Rennen vom selben Team entschieden, weil das Indy-500 zwar zur Weltmeisterschaft zählte, aber kein F1-Lauf war und auch kaum F1-Fahrer und Teams daran teilnahmen. Allerdings gab es damals auch weniger als zehn WM-Rennen, Vergleiche mit heute hinken daher. Da ist die Saison 1988 schon beeindruckender, als McLaren nur beim Italien-GP etwas unglücklich das Rennen an Ferrari verlor und ansonsten 15 Saisonsiege sammelte.
4) 20% weniger Überholmanöver
Die Anzahl der Überholmanöver ist nicht entscheidend. Es geht auch um die Qualität. Die ist durch zahlreiche Überholhilfen in Mitleidenschaft gezogen worden. Und trotzdem wurde 2015 rund 20 Prozent weniger überholt als noch im Vorjahr: 509 statt 636 Positionswechsel gab es, wobei die Startrunde, Defekte und Konter nicht eingerechnet werden. Viele Faktoren spielen bei diesen Zahlen eine Rolle: Die Aerodynamik wurde 2014 stark beschnitten, die cleveren Ingenieure haben aber einige Abtriebspunkte zurückholen können. Je ausgefeilter die Aerodynamik, desto anfälliger sind die Autos beim Hinterfahren in den Luftverwirbelungen und desto schwerer ist damit das Überholen. Auch die Reifen spielen aber eine große Rolle: Sie bauen nicht mehr so stark ab (706 statt 817 Boxenstopps), dass große Geschwindigkeitsunterschiede auf der Rennstrecke entstehen, aber sie bauen noch stark genug ab, um bei einem Zweikampf schon nach wenigen Kurven oder Runden in die Knie zu gehen. Das macht das Überholen bei recht ähnlich schnellen Autos quasi unmöglich und trägt damit zur Langweile bei.
5) Die Mercedes-Rekorde
Die Mercedes-Dominanz ist erdrückend. Das spiegelt sich auch in zahlreichen Rekorden nieder, die 2015 aufgestellt wurden:
a) Siege
Zwölf Doppelsiege sammelte Mercedes mit Lewis Hamilton und Nico Rosberg – ein absoluter Rekord! Bei 19 Saisonrennen ist das eine Quote von 63,2%. McLaren schaffte 1988 zehn von 16 Doppelsiege (62,5%) und Mercedes 2014 elf von 19 (58%).
b) WM-Punkte
703 Zähler ist ein neuer Rekord. Letztes Jahr waren es bei der gleichen Anzahl von Rennen noch 701 Punkten – obwohl in Abu Dhabi doppelte Punkte verteilt wurden! Punktvergleiche sind aus mehreren Gründen verfälscht: Immer wieder hat sich das Punktesystem verändert und zwar dahingehend, das immer mehr Zähler verteilt werden. Und auch die Anzahl der Rennen pro Saison hat sich immer weiter erhöht. Doch auch prozentual ist die Mercedes-Ausbeute aus der Saison 2015 ein Rekord: 817 Punkte hätte Mercedes maximal sammeln können, also hat man 86% der möglichen Punkte geholt. McLaren schaffte 1988 insgesamt 199 von 240 Punkten (83%), Ferrari 2004 noch 701 von 860 (82%).
c) Podeste
Mit 32 Podestplätze übertraf Mercedes den Rekord von 2014 um einen Pokal. 38 Podiums wären maximal möglich gewesen, also schaffte man 84%, 2014 betrug die Quote 82%. Ferrari kam 2004 auf 29 von 36 Podestplätze (81%).
d) Qualifying
In 15 von 19 Rennen, also in 79 Prozent, starteten beide Mercedes-Fahrer aus der Ersten Startreihe – auch das ist die höchste Quote in 66 F1-Saisons! Auch hier liegt McLaren auf Rang zwei der Tabelle: In 16 Rennen der Saison 1988 brausten Ayrton Senna und Alain Prost zwölf Mal gemeinsam von Reihe eins los (75%), Williams gelang dies 1992 mit Nigel Mansell und Riccardo Patrese ebenfalls (75%).