Meine Einschätzungen:
Heute Mittwoch, 29. April 2009, trifft sich das Motorsport World Council nicht nur, um die Lügenaffäre von McLaren Mercedes beim Australien GP neu aufzurollen, sondern es sollen auch wichtige Punkte für das zukünftige Reglement abgesegnet werden. Der Kernpunkt dabei ist die geplante Budgetobergrenze, die ab 2010 greifen soll. Bereits vor der Saison wirbelte der Automobilweltverband FIA die Szene mit der Ankündigung auf, ab 2010 eine Budgetobergrenze einführen zu wollen. Sie sollte 34 Millionen Euro umfassen. Der Tenor im Fahrerlager: Die Summe – rund ein Zehntel des Budgets von 2008 – sei völlig utopisch. Aber nicht nur geht der Teamvereinigung gegen den Strich, sondern auch die Tatsache, dass die FIA das Budgetlimit nicht zwingend vorschreiben will. Jene Teams, die sich dieser Limitierung allerdings anschließen, bekommen einige technische Freiheiten zugestanden – ein Umstand, für die Budgetobergrenze begeistern soll. Das Budgetlimit kommt besonders bei kleineren Teams an, sowie bei potenziellen Neueinsteigern. Bereits 8 neue Teams wollen in den GP-Sport eintreten, falls die Budgetobergrenze kommt. Bereits bekannt sind die F1-Pläne des amerikanischen F1-Teams von Ken Anderson und Peter Windsor, sowie die Pläne des britischen Chassisherstellers Lola. Daneben sollen auch Tony Teixeira, ART, Epsilon Euskadi, Prodrive, iSport International und DAMS Interesse an einem F1-Einstieg hegen. Die Flut an interessierten Neueinsteiger ist ein Pluspunkt für die Budgetobergrenze, könnte genau deshalb aber auch von der FIA gezielt gestreut werden, um die Teams in Sachen Budgetobergrenze umzustimmen. Praktisch keines der 8 möglichen neuen Teams hat bereits fixe Anhaltspunkte, wie das Projekt funktionieren könnte. Am besten aufgestellt ist in diesem Zusammenhang noch das Lola-Team. Die Pläne von Anderson und Windsor sind bereits seit Februar bekannt, seither hat sich aber nichts mehr getan. Ein Witzbold im F1-Fahrerlager meinte kürzlich: „Anderson und Windsor haben doch nur eine Idee. Sie haben keine Fahrer, kein Chassis, kein Motor, keine Techniker – überhaupt gar nichts, bis auf die Idee an sich. Und daran haben sie laut eigenen Angaben bereits 4 Jahre gearbeitet!“
Ob also wirklich was aus den ehrgeizigen Plänen wird, bleibt fraglich. Von 22. bis 29. Mai will die FIA eine Einschreibeliste für die Saison 2010 starten, denn sie will nur 13 Teams zulassen. Das macht 26 Autos – so viele Teams gab es schon seit fast 15 Jahren nicht mehr! F1-Boss Bernie Ecclestone will den neuen, aber auch den alten Teams unter die Arme greifen. Der Zampano plant eine Geldspritze von 10 Millionen Euro pro Jahr, sowie finanzielles Entgegenkommen bei Reisen um den Globus. Dafür müssen die Teams aber garantieren, bis einschließlich 2015 an der F1-Weltmeisterschaft teilzunehmen. Bis zur Einschreibungsfrist muss aber auch schon geklärt sein, ob und wie die Budgetobergrenze 2010 kommt. Die FIA arbeitet heute daran, die Budgetobergrenze allen Teams schmackhaft zu machen. Zum einen wird sie auf 50 bis 60 Millionen Euro angehoben, zum anderen wird die Technik quasi gänzlich freigegeben. Das sieht dann so aus:
Antrieb: Seit Jahren ist die Anzahl an Motoren und Getriebe, die ein Fahrer während einer Saison verwenden darf, begrenzt. 2009 sind das beispielsweise 8 Motoren pro Fahrer. Die Regel hat sich bewährt: Noch vor 5 bis 10 Jahren war es üblich, am Wochenende mehrmals einen neuen Motor einzusetzen, im Qualifying einen stärkeren, aber wenig lebhaften Motor, im Rennen schließlich einen zuverlässigen Motor mit etwas weniger Power. Nach den Rennen wurden die Motoren entsorgt. Diesem unsinnigen Treiben wurde mit der Regeländerung ein Ende gesetzt – ein Ende, das bei allen gut ankam. Die Regel hat sich als mehr als sinnvoll herausgestellt, die Kosten im Motorenbereich sind dramatisch zurückgegangen, was auch an der Homologierung der Triebwerke begründet ist. All das soll bei der Budgetobergrenze wegfallen: Die Anzahl an Motoren und Getriebe im Jahr werden nicht mehr reglementiert, genauso wenig das Drehzahllimit (derzeit 18 Tausend Umdrehungen pro Minuten) oder der Antriebsstrang. Das heißt also, dass theoretisch auch der Einsatz eines Allradantriebs denkbar wäre. Die Motorenschmiede Cosworth wagte sich Ende der 60er Jahre an die Konstruktion eines eigenen F1-Renners, der allradbetrieben werden sollte. Das Projekt scheiterte kläglich. Die KERS-Leistung, und das das wäre sinnvoll, soll ebenfalls freigegeben werden. Damit könnte das Energierückgewinnungssystem tatsächlich ein Helferchen beim Überholen werden.
Weitere Ideen: Ferner bleiben natürlich die alten Ideen bestehen, die es schon im Winter gab. Die Flügel sollen also um 10 statt 6 Grad vom Cockpit aus verstellt werden dürfen. Auch im Bereich des Unterbodens könnten Teams mit begrenzten Budget bevorzugt werden. Wichtig auch: Testfahrten könnten für diese Teams ebenfalls freigegeben werden. Auch Windkanalstunden könnten frei werden, ebenso dürfte darin statt mit 60%-Modellen mit 1:1-Boliden getestet werden.
Fazit: Die Grundidee, das Budget zu limitieren und die Technik dafür frei zu geben, ist ein sinnvoller und guter Ansatz. Damit würde die Formel-1 auch für Privatiers wieder erschwinglich werden, gleichzeitig würde die F1 aber weiterhin die Königsklasse des Motorsports darstellen. Allerdings scheitert es wie so oft an der Umsetzung. Nicht alle Regeln sind sinnvoll, etwa die Freiheiten im Antrieb. Bewährtes wird über Bord geworfen. Was allerdings einen Reiz ausmacht ist die Tatsache, dass das Budget nicht Entwicklungen in all diese Richtungen zulässt, die Techniker müssen sich also einige Freiheiten herausgreifen, an die sie im Detail arbeiten. Da die richtige zu finden, ist eine interessante Herausforderungen, ganz davon abgesehen von den Freiheiten, die für Techniker immer von Interesse sind. Jene Teams, die weiterhin so viel Geld ausgeben wollen, wie sie können, werden diesen technischen Freiheiten nicht bekommen. Die F1-Szene befürchtet deshalb eine Zweiklassengesellschaft. Eines ist klar: Entweder Budgetobergrenze für alle, oder für keinen – beides lässt sich niemals unter einen Hut bekommen.
Was zudem eine Kritik an der Budgetobergrenze war, ist die utopische Summe. 60 Millionen Euro sind allerdings mehr als realistisch. Vor allem sind Fahrergehälter und Marketing in diesem Budgetlimit nicht eingebracht, was den Witz von Flavio Briatore, seinerseits Teamchef bei Renault, zerstört, denn in Bahrain fauchte er: „Schaut euch doch mal die Fahrergehälter von Ferrari an. Da kommen sie ja alleine schon auf die 30 Millionen Euro.“ Was ebenfalls eine Frage war: Was passiert eigentlich, wenn ein Team, wie im krassesten Fall McLaren 2007 (100 Millionen Euro Strafe), eine Geldstrafe aufgebrummt bekommt? Damit lässt sich im Vorfeld ja schlecht kalkulieren. Auch solche Fälle will die FIA von der allgemeinen Budgetobergrenze ausgrenzen. Und der letzte und härteste Kritikpunkt: Wie soll eine Budgetobergrenze eigentlich überhaupt überwacht werden? Die F1-Teams warten gespannt, ob die FIA auf diese Frage heute eine Antwort geben kann. Spekulationen zu Folge soll die FIA dafür eine eigene Kommission gründen.
Die Teamvereinigung FOTA ist gegen die Budgetobergrenze. Deren Vorsitzender Luca di Montezemolo meinte in Bahrain: „Das ist nicht machbar. Jedes Team hat in der Vergangenheit in andere Bereiche investiert, das kann man nicht einfach zurückdrehen.“ Die FOTA will ebenfalls die Kosten drastisch senken und setzt auf eine Budgetobergrenze in einem anderen Sinn. So will die FOTA beispielsweise die Summe zusammenrechnen, die alle Teams für bestimmte Bereiche ausgeben, beispielsweise der Aerodynamik. Diese Summe soll durch die Anzahl der Teams geteilt werden – der Mittelwert würde die Grenze in Sachen Budget bei der Aerodynamik darstellen. Das stellt allerdings auch das Argument Di Montezemolos ad absurdum, denn das würde genau gegen seine Argumentation sprechen und für eine Budgetobergrenze, wie es die FIA will.
Auch abseits der Budgetobergrenze will die FIA heute weitere Eckpunkte des Reglements für 2010 festlegen. Reifenwärmer und das Nachtanken soll 2010 verboten werden, genauso wie das Mindestgewicht eines F1-Renners von 605 Kilogramm auf 620 Kilogramm angehoben wird. Damit soll ein Hungerwahn unter den F1-Piloten verhindert werden. Erste Tendenzen dazu gibt es nämlich durch die Einführung des KERS-Systems, das derzeit nur bei leichten Fahrern Sinn macht. So fährt Robert Kubica bei BMW Sauber oft ohne KERS, während Teamkollege Nick Heidfeld, der deutlich leichter als der Pole ist, bislang stets mit KERS fuhr. Fast alle Piloten haben über den Winter einige Kilo abgespeckt. Beängstigend, wie dürr manche Fahrer sind. Auch der Zusammenbruch von Fernando Alonso nach dem Bahrain GP könnte auf den Hungerwahn zurückzuführen sein. Das Verbot des Nachtankens ist dagegen nur für die Wenigsten eine sinnvolle Regeländerung, denn die meisten zweifeln daran, dass dies wirklich das Überholen fördern könnte. Strategische Spiele fallen dagegen nun komplett weg.