Ich hab einen Artikel auf inside-racing geschrieben über die jüngsten Entwicklungen bzgl der Drei-Wagenregel und würde mit euch darüber gerne diskutieren. Ich verlinke den Artikel lieber nicht, sondern setz ihn hier rein:
Seit Jahren bringt Ferrari-Chef Luca di Montezemolo in regelmäßigen Abständen ein und dieselbe Idee zum Vorschein: Eine Drei-Wagen-Regel. Der Italiener kritisiert die Leistungen der neuen Rennställe und spricht sich deshalb für acht feste Konstrukteure aus, die drei Boliden einsetzen dürfen. Allerdings, und das ist dieses Mal bei Di Montezemolos Vorstoß etwas anders, sollen die dritten Boliden von Satellitenteams eingesetzt werden. Di Montezemolo gibt auch ein konkretes Beispiel – um die Idee der breiten Masse schmackhaft zu machen: „Wäre es nicht fantastisch zu sehen, wie ein Team wie Ganassi oder Penske einen dritten Ferrari mit einem US-Amerikaner einsetzt?“ Di Montezemolo nennt Ganassi und Penske – beides die absoluten Topteams der IndyCar – nicht zufällig: Er weiß, wie wichtig der amerikanische Markt für F1-Boss Bernie Ecclestone ist. Das Okay von Ecclestone soll Di Montezemolo längst in der Tasche haben.
Williams pro Ferrari: Ecclestone und Ferrari sind aber nicht die einzigen Befürworter dieser Idee. Auch Williams spricht sich inzwischen für diese Idee aus. Die positive Haltung von Williams gegenüber Di Montezemolos Vorstoß überrascht insofern, als dass man bislang starker Gegner von Kundenchassis allgemein war. Man befürchtete, dass ein Neueinsteigerteam mit einem Ferrari-Kundenchassis Williams sofort um die Ohren fahren könnte – eine Befürchtung, die sicherlich nicht unberechtigt ist. Dass Williams damit die eigene Karriere aus dem Blickwinkel verloren hat (auch Williams begann in der Formel-1 mit Kundenfahrzeuge), ist die zweite Seite der Medaille.
Der Meinungswechsel von Williams geht einher mit einer wirtschaftlich anderen Situation bei Williams. Die meisten großen Sponsoren sind geflüchtet, Williams muss zumindest einen Mietwagenfahrer (Pastor Maldonado) beschäftigen, um finanziell zu überleben. Längst nutzt man alle Möglichkeiten auch außerhalb der Formel-1, um Geld zu verdienen. Für die Formel-2 baut man die Chassis, an HRT liefert man 2011 Getriebe und Hydraulik, an das GT-Programm von Porsche das KERS-System und in Kürze könnte Williams für Jaguar auch ein DTM-Auto entwickeln, wenn sich Gerüchte bewahrheiten. Der Verkauf eines GP-Boliden an ein Satellitenteam würde weiter Geld in die Kasse spülen.
Die finanziellen Aspekte müssen bei dieser Idee jedoch im Reglement mit konkreten Zahlen verankert werden. Zwischen dem Vorjahres-besten Boliden und dem letzten und auch dazwischen muss es preisliche Abstufungen geben: Ein Sauber muss kostengünstiger erhältlich sein, als ein Red Bull. Und es muss gewährleistet werden, dass es pro Team nur ein Satellitenteam gibt. Beides miteinander zu vereinen wird schwierig werden, aber nicht unmöglich.
Historie pro Ferrari: Beim Treffen der Teamvereinigung FOTA soll es in dieser Woche genau um das Thema Drei-Wagen-Regel gegangen sein. Ein weiterer Argumentationspunkt für die Idee: Die Regelung wäre nicht neu, sondern ist ein alter Hut: Als 1963 vorgeschrieben wurde, mit nur zwei Autos zu starten, schrumpften die Starterfelder ins Bodenlose. Bis Ende der 80er Jahre gab es deshalb Ausnahmeregelungen, die einen dritten oder mehr Fahrer (oft ohne Punkterlaubnis) zugelassen haben – wenn ein Antrag gestellt wurde. Beim Deutschland GP 1985 war das letztmals der Fall, als Renault einen dritten Boliden für François Hesnault einsetzte. Rückschritt kann auch Fortschritt sein, darauf setzt Di Montezemolo nun.
Di Montezemolo hofft sowieso auf die Vergangenheit: Der FIA-Präsident Jean Todt – und damit der Entscheidungsträger – war einst Rennleiter bei Ferrari und genießt weiterhin vorzügliche Beziehungen zu den Italienern. Das Kippen des Stallorderverbotes soll eine Folge daraus gewesen sein, die zweite könnte die Drei-Wagen-Regelung sein.
Nicht auszuschließen ist auch, dass eine Misch-Regelung kommt. Etwa die, dass neue Teams zwei Jahre lang Kundenfahrzeuge von bestehenden Teams einsetzen dürfen (jedes Team darf aber maximal einen Kunden beliefern), bevor man ein eigenes Chassis bauen muss. Der Lernprozess in den ersten Jahren soll eine solche Chancenlosigkeit wie bei den neuen Rennställen 2010 verhindern. Problematisch wird der Aufstand der kleineren Teams sein, die sich dagegen wehren werden, sich von neuen Teams mit WM-Boliden die Butter vom Brot nehmen zu lassen. Kluge Köpfe könnten aber ein Reglement austüfteln, das allen gerecht wird, etwa wenn man für die neuen Teams zwei Jahre lang keine Punkte vergibt.
Entwicklungen pro Ferrari: Fakt ist: Eine neue Lösung muss gefunden werden. Die FIA lässt inzwischen keine neuen Teams mehr zu, weil man sich nicht sicher ist, dass diese die Formel-1 mit schlechten Darbietungen blamieren. Ein 13. Team, das für 2011 eigentlich geplant war, fehlt daher in den nächsten beiden Jahren. Extremes Sparen, wie Todts Vorgänger Max Mosley das Problem in den Griff kriegen wollte, hat Vorteile, aber auch Nachteile.
Eine Idee, die hinter der Drei-Wagen-Idee steckt ist also, Neueinsteigern eine faire Chance zu geben, ohne sich erst zwei Jahre zu blamieren. Genau diese Idee haben jüngst zwei Sportwagenhersteller zu Tatsachen vollendet: Die Lotus-Gruppe hat Anteile am Renault-Team erworben und spricht darüber, vollständige Besitzer werden zu wollen – auch mit eigenen Chassis und Motoren. Marussia hat sich Teile des Virgin-Teams unter den Nagel gerissen, mit dem Ziel in Zukunft ein eigenständiges GP-Projekt aufzuziehen.
Liste pro Ferrari: Gewiss gibt es Fans, Beteiligte und Entscheidungsträger, die von der Idee weniger angetan sein. Die Unentschlossenen lassen sich vielleicht von dieser sehr spekulativen Liste positiv stimmen. Sie zeigt, mit welchen Satellitenteams die bestehenden Teams eventuell kooperieren könnten. Ganz aus der Luft gegriffen ist das übrigens dann auch wieder nicht: Zwischen diesen Teams bestehen gute Kontakte:
Red Bull: Arden (GP2-Team von Red-Bull-Teamchef Christian Horner)
McLaren: Prodrive (Rallye- und Tourenwagensport, unvollendete F1-Projekte)
Ferrari: Penske (IndyCar-Topteam, von Di Montezemolo vorgeschlagen)
Mercedes: Mücke (DTM-Team mit Mercedes, in der GP3 mit Teilhaber Ralf Schumacher)
Renault: ART (GP2-Top-Team, Lotus gemeinsamer Teilhaber)
Williams: Ganassi (IndyCar-Topteam, früher Fahrer-Lieferant für Williams)
Force India: Coloni (GP2-Team, früher in der F1, einst Kooperation mit Force India)
Sauber: Jenzer (GP3-Team, wie Sauber aus der Schweiz)
Toro Rosso: Carlin (GP2, GP3, britische F3, Satellitenteam von Red Bull)
Lotus: Meritus (GP2-Asia, wie Lotus aus Malaysia)
Virgin: Manor (GP3, britische F3, Manor betreibt Virgin)
HRT: Epsilon Euskadi (WSbR, Kooperation bereits angestrebt)
Di Montezemolo fordert die Idee, seit Ferrari Motorrad-Weltmeister Valentino Rossi in einem GP-Rennen einsetzen will, dafür aber kein Platz mehr ist, und seit das Comeback von Michael Schumacher 2010 bei Ferrari aufgrund mangelnden Platzes scheiterte. Auch Toro Rosso wollte einen Gastfahrer an den Start bringen: 2009 beim Abu Dhabi GP sollte Sébastien Loeb fahren. Nach einer F1-Testfahrt und einem Aufwärmtraining in der GP2 mit DPR gab die FIA keine Superlizenz an den Franzosen aus.