MELBOURNE. Die Typen sind so unterschiedlich wie die Lackierungen ihrer Rennwagen, aber wenn öffentlich die Charakterfrage erörtert werden soll, dann geben sie sich ziemlich einsilbig. Da hat sich offenbar nichts verändert seit dem dramatischen Saisonfinale 2007, als Kimi Räikkönen im Ferrari die feindliche McLaren-Bruderschaft zwischen Lewis Hamilton und Fernando Alonso um das eine, aber entscheidende Pünktchen düpierte.
Beim ersten Auftritt des Favoritentrios vor dem Großen Preis von Australien wurde zwar einiges geredet, aber nichts gesagt. Brav wie die Messdiener klebten die schnellsten Langweiler der Welt an ihren Stühlen und spielten ein Versteckspiel mit Worten. Dabei wäre ein Dreikampf der Charaktere das ideale Szenario für dieses Jahr. So lenkt das Trio infernale vielleicht, aber so denkt es offenbar nicht.
Tätowiert, behängt, beschuht
In Melbourne boten sich bisher jedenfalls keine Angriffsflächen, es blieb also nur die Interpretation der Äußerlichkeiten: Räikkönen hat sich in fetten Lettern den Spitznamen "Iceman" auf den linken Unterarm tätowieren lassen; Hamilton trägt ein goldenes Kreuz unter dem Hemd; Alonso schlappt in offenen, quietschgrünen Basketballstiefeln. Diese Halbstarken-Versammlung hätte auch an jeder Vorstadt-Tanke stattfinden können. Da wäre es vielleicht sogar lustiger geworden. Aber die Sache ist richtig ernst. Von Selbstzweifeln wird in der Regel zwar keiner der Protagonisten gequält, aber Kampfansagen klingen anders als das verbale Warm-Up. "Ich bin viel entspannter", sagt Räikkönen. "Ich bin viel stärker", behauptet Hamilton. "Ich habe nichts zu beweisen", glaubt Alonso. Der Spanier ist sich ohnehin sicher, dass er angesichts der Leistungsfähigkeit seines Renault unbedingt in diese erste Reihe gehört.
Der Kampf des Trios infernale wäre allen das liebste Szenario. Schließlich treten da drei Egos an, die unterschiedlicher nicht sein könnten: Räikkönen ist der unauffälligste Champion, den dieser Sport bisher vorzuweisen hat. An seinem Gemüt perlen alle persönlichen Animositäten der Konkurrenten ab, diese Fähigkeit hat mit zur ungewöhnlichen Aufholjagd des 28-Jährigen im Vorjahr beigetragen. Und genau das macht ihn, zusammen mit der ausgereiften technischen Basis des Ferrari, zum Favoriten. Er hat sich keinen Deut geändert, außer dass er die Sorge los ist, nie Weltmeister zu werden. Und so lange er gut fährt, lässt Ferrari auch die Leine lang.
Hamilton hat so ziemlich alles erreicht in seinem Debütjahr, nur den WM-Titel hat er verloren. Pech, Nerven, Unvermögen? Über die weitere Motivation muss man nicht sprechen, Zweiter zu sein, hat dem 23-Jährigen nie gereicht. In der Finanz-Wertung hat er mit seiner Vertragsverlängerung bis 2012 schon aufgeholt: Das Fixum von 2,5 Millionen Dollar per anno erhöht sich jährlich um genau diese Summe. Verloren hat er nur sein Überraschungsmoment, alle sind gewarnt nach seinem famosen Einstand. Er will noch immer jüngster Weltmeister der Geschichte werden.
Alonso hat jetzt alles, was er bei McLaren wollte: Einen Ausnahmestatus im Team, eine Gehaltserhöhung, ein Umfeld, das er mag. Renault hat viele Prinzipien geopfert, um den verlorenen Sohn zurückzuholen. Für den Weltmeister von 2005 und 2006 bedeutet die Rückkehr eine Umkehr. Er bereut zwar das McLaren-Intermezzo nicht, aber die unschöne Eskalation im Duell mit Hamilton hat ihn viel an Reputation gekostet. Der 25-Jährige muss zeigen, was er wirklich wert ist, und ob seine volle Aufmerksamkeit einen Wagen wirklich um eine Sekunde schneller machen kann. Das wäre die Zeit, die dem Team derzeit zur Siegtauglichkeit fehlt.
Team und Fahrer wollen sich gegenseitig aufrichten, der verlorene Sohn ist auf der Suche nach dem Selbstbewusstsein. Die unterschiedlichen Ansätze taugen mehr als alle Worte, um den Dreikampf zu beleben - denn keine Sorge, es wird im Saisonverlauf garantiert wieder persönlicher. Die Australier schwören hierbei auf ein Sprichwort: "Auf der Rennstrecke gibt es kein Verstecken mehr."
Das Maß aller Dinge. Laut der meisten Experten hinterlies der F2008 bei den Tests den besten Eindruck. Gute Vorrausssetzungen also für Weltmeister Kimi Räikkönen alias the Iceman:
D E U T S C H E Auf dem Weg nach vorn:
MELBOURNE. Der Name Schumacher geisterte 17 Jahre lang durch die Königsklasse des Motorsports. Doch nun ist die Ära der Brüder aus Kerpen endgültig vorbei. Der heute 39-jährige Michael ist seit 2006 Renn-Rentner, chauffiert ab und an noch den Ferrari bei Testfahrten. Ralf, 32, bekam bei Toyota kein Cockpit mehr und sattelte in die Deutsche Tourenwagen Masters (DTM) um. Doch nach wie vor besteht in der Formel 1 eine starke deutsche Fraktion. Zum einen gehen gleich fünf Piloten an den Start, und mit drei Herstellern (Mercedes, BMW und die Kölner Toyota-Niederlassung) ist Deutschland auch überproportional vertreten.
Die meisten Hoffnungen ruhen dabei auf Nick Heidfeld. Der 30-jährige Mönchengladbacher vom BMW-Sauber-Team träumt von seinem ersten Grand-Prix-Sieg. "Das Ziel unseres Teams ist ganz klar: Wir wollen in diesem Jahr ein Rennen gewinnen und die Lücke nach vorne schließen." Allerdings sagt Heidfeld auch: "Ich vermute, dass wir nicht aus eigener Kraft das erste Rennen gewinnen können." Dem pflichtet BMW-Motorsportchef Mario Theissen bei: "Ich sehe uns derzeit nicht auf der Höhe von Ferrari und McLaren-Mercedes."
Weniger auf Siege aus sind die vier anderen Deutschen. Nico Rosberg (22) hofft auf eine Steigerung, Adrian Sutil (25) und Timo Glock (25) wollen ihre Teamkollegen abhängen und Sebastian Vettel (20) möchte sich überall verbessern. Rosberg, der Sohn des ehemaligen finnischen Weltmeisters Keke Rosberg, fühlt sich stark genug, wenigstens in einem der 18 Rennen erstmals den Sprung auf das Podest zu schaffen. "Ich glaube, ich kann mit dem Team nach vorne kommen und in naher Zukunft Erfolg haben", sagt der Williams-Pilot. "Eine der besten technischen Strukturen haben wir jetzt schon."
Der Heppenheimer Vettel, als großes Talent gehandelt, geht bei Toro Rosso in sein erstes komplettes WM-Jahr. Und er will mehr Punkte holen als 2007 - da brachte es der Teilzeitarbeiter in seinen acht Rennen auf sechs Zähler. Auch Timo Glock erhielt bei Toyota erstmals ein Stammcockpit, nachdem er 2004 vier Rennen für Jordan bestritten hatte. "Ich möchte konstant in die Punkte fahren", formuliert der Nachfolger von Ralf Schumacher sein Ziel. Für Adrian Sutil beim erneut umbenannten Force-India-Team (bisher: Spyker) ist die Sache klar. Es geht weniger um Punkte als darum, den Kollegen Giancarlo Fisichella hinter sich zu lassen.
E L E K T R O N I K:
Freude für Fahrschüler und Niki Lauda.
Nein, Affen wurden nicht gesichtet. Auf dem kleinen See im Albert Park tummeln sich noch die Enten und Haubentaucher - ehe der Lärm der Boliden sie bald verjagt. Es scheint auch wirklich keine gute Zeit für Affen zu sein. Früher, da war das anders. Noch vor sieben Jahren schimpfte Niki Lauda, der zweimalige Weltmeister, drastisch über die alles beherrschende Technik in der Königsklasse: "Jeder Affe kann jetzt, was die Bedienung des Autos betrifft, in der Formel 1 fahren." Es galt das Motto: Immer Vollgas, den Rest regelt die Elektronik.
Wenn am Freitag die Fahrer in ihre Autos steigen, müssen sie schon etwas mehr tun als nur Vollgas geben. Auf dem angekündigten Weg der Kostenreduzierung greifen nun die nächsten Sparmaßnahmen, nachdem man im letzten Jahr mit den Einheitsreifen schon einen großen Schritt tat. Nun ist die Traktionskontrolle abgeschafft, es darf kein drittes Auto mehr bereitgestellt werden für das Wochenende, Getriebe müssen länger halten, dem Benzin wird Bio-Sprit beigemischt. Trotz allem bleibt natürlich die Formel 1 ein kostspieliges Unterfangen. Spitzenteams wie BMW oder Ferrari verbraten um die 320 Millionen Euro im Jahr, allein die Motoren für alle elf Teams verschlingen mehr als eine Milliarde Euro.
Trotzdem hat die Abrüstung natürlich ihr Gutes. Nicht allein die Technik, wie einst von Niki Lauda moniert, bestimmt über den Sieg. Jeder normale Fahrschüler wird sich freudig die Hände reiben, wenn den hochbezahlten Chauffeuren beim Start die Räder durchdrehen, weil die Elektronik ihnen nicht mehr hilft. Und der Fahrlehrer soll nur etwas sagen, wenn man künftig zu schnell in den Kurven ist; die Formel-1-Piloten machen es schließlich vor, weil die Schlupfregelung fehlt.
Ob sich die jungen Wilden wie Lewis Hamilton oder Nico Rosberg, die sich das Fahren quasi am Computer aneigneten, damit zurechtkommen? Oder sind die Alten wie Nick Heidfeld oder Rubens Barrichello nun im Vorteil? So groß wird der Unterschied schon nicht sein, denn auch in den heutigen Nachwuchsklassen fährt man ohne elektronische Hilfen. Und wenn alle Stricke reißen, kann man ja Michael Schumacher holen. Immer noch besser als ein Affe am Steuer.
L E X I K O N:
NACHTRENNEN: Erstmals findet ein Nachtrennen statt. Der Grand Prix von Singapur am 28. September wird um 20 Uhr Ortszeit (14 Uhr MESZ) gestartet. 1 500 Lichtprojektoren erleuchten den 5,067-km-Stadtkurs taghell. Der Aufbau der Lichtanlage dauert drei Monate. Ebenso neu im Kalender wie der asiatische Stadtstaat ist Valencia - auch hier gibt es einen Stadtkurs.
TRAKTIONSKONTROLLE: Sie und die elektronische Starthilfe sind abgeschafft - es ist die wichtigste Regeländerung. Nun wird man beim Start wieder durchdrehende und qualmende Reifen sehen. Eingeführt wird dafür eine einheitliche Standard-Elektronik (SECU) für alle Teams, die ausgerechnet von McLaren-Mercedes entwickelt wurde. Die SECU dient zur Steuerung von Motor, Getriebe und Kupplung.
GETRIEBE: Getriebe müssen vier Rennen durchhalten, sonst verliert der Pilot fünf Plätze in der Startaufstellung. Motoren bleiben auf zwei Rennen reguliert (sonst zehn Plätze zurück). Die Ersatzautos (T-Car) sind abgeschafft, pro Team gibt es nur zwei Autos pro Wochenende. (QUELLE:)
Und jetzt get ready for rumble or keep da racing ..