Ich find diesen Beitrag äußerst passend, deshalb poste ich ihn hier:
"Geschichtlich gibt es weltweit hunderte Beispiele, was der Satz "die Revolution frisst ihre eigenen Kinder" bedeutet. Ob dies erzkonservative Ex-68er sind, die heute mehr Reformen blockieren als sie in ihren wildesten Tagen gefordert haben, oder ob es Korruptionfaelle in Regierungen sind, die angetreten waren, um genau diese zu bekaempfen. Nun ist auch die Formel 1 so weit.
Seit gut einem Jahrzeht passiert in der Formel 1 eine Entwicklung, die genau dort enden musste, wo wir heute stehen. Urspruenglich gab es in der Formel 1 Konstruktuere, die ein Auto bauten, sich einem Motorenlieferanten, zwei talentierte Fahrer und einige Sponsoren suchten und Rennen fuhren. 1994 war Ferrari das einzige Team, bei dem Chassis und Motor aus dem selben Haus stammten. Dann folgten die quasi-Uebernahmen von McLaren durch DaimlerChrysler, von Williams durch BMW und spaeter von BAR durch Honda. Traditionsteams wie Tyrrell verschwanden und dafuer kam Toyota. Benetton und das Traditionsteam Jaguar wurden ganz offiziell von den Automobilgiganten ??RenaultPeugeot?? und Ford uebernommen.
Nun ist es aber schon immer so gewesen, dass sich die Automobilfirmen nie ewig in der Formel 1 engagierten. Mercedes ist erst seit 1995 (bzw. als Ilmor seit `93) wieder dabei. Renault goennte sich Ende der 90er eine Auszeit, Honda war lange Zeit nicht aktiv und Porsche zog sich nach grossartigen Erfolgen mit McLaren auch wieder zurueck. Die Reihe liesse sich noch weit fortsetzen. Dies ist der Lauf der Dinge und im Wirtschaftsleben, dem die Automobilfirmen nunmal entspringen, ein ggf. als Produktlebenszyklus bekanntes Phaenomen.
Das gesteigerte Engagement der Konzerne bedeutet aber heute, dass ein Rueckzug eines Konzerns anders als frueher auch den Verlust eines Teams mit sich bringt. Im Falle von Ford, die in den letzten Jahren versucht haben, dem enormen Kostendruck der Formel 1 durch den Verkauf nicht konkurrenzfaehiger Kundenmotoren zu begegnen, bedeutet es sogar den Rueckzug des letzten echten Motorenlieferanten, wenn man mal vom Petronas-Deal zwischen Ferrari und Sauber absieht.
Parallel dazu kann ebenfalls mit steigender Tendenz der Trend ausgemacht werden, dass nicht-Werksteams finanzielle Schwierigkeiten bekommen und von Konkurrenzfaehigkeit nur traeumen koennen. Daher ist die Situation, in der sich die Formel 1 derzeit befindet, keine ploetzliche Krise, sondern konsequente Fortsetzung einer seit Jahren bestehenden Entwicklung.
Von einer Krise muss man ganz klar sprechen, angesichts der Tatsaache, dass 6 Monate vor Saisonbeginn 2005 erst 7 Teams wissen, dass sie sicher im naechsten Jahr dabei sind. Waehrend die grossen seit Wochen in Uebergangsmodellen naechstjaehrige Komponenten testen, ist nicht klar, ob das RedBull Team um Dr.Helmut Marko oder das "Arden" Team die Reste von Jaguar kaufen und ob und wenn mit welchen Motoren Minardi und Jordan starten koennen.
Dass diese Situation so passieren konnte, ist ein Resultat von jahrelangem Missmanagement und dem Ausruhen auf alten Erfolgen. So sehr man die Leistung Bernie Ecclestones loben muss, der aus einem Wettkampf ambitionierter Techniker und mutiger Rennhelden innerhalb von 3 Jahrzehnten ein Mulit-Millionen EURO Geschaeft gemacht hat, das hinsichtlich seiner Bedeutung und des Zuschaueraufkommens nur mit Olympischen Spielen oder Fussball-Weltmeisterschaften zu vergleichen ist, so offen muss man aber den Fehler kritisieren, dass er die Zukunft aus den Augen verloren hat.
War es Ecclestone selbst, der immer predigte, dass man jederzeit in zwei Dimensionen, naemlich dem Heute und dem Uebermorgen denken muss, hat eben dieser durch seinen autokratischen Fuehrungsstil vergessen, die Weichen in Richtung Zukunft zu stellen. Aehnlich dem Verhalten von Dr. Helmut Kohl hat er es verpasst, zu rechten Zeit den Absprung zu schaffen und einen Nachfolger zu inthronisieren. Ueberall sind Bernie, seine Frau oder eine ihrer zahlreichen Firmen Vertragspartner und der seit Jahren schwelende Streit zwischen Ecclestone und den Automobilkonzernen ueber die Zukunft der Formel 1 hat zu viel zerschlagenem Porzellan und grossen Ankuendigungen gefuehrt, nicht aber zu zaehlbaren Resultaten.
Die Krise ist nun da und man kann die Vergangenheit nicht mehr aendern. Daher muss der Blick nun nach vorn gerichtet werden. Wir brauchen Reformen. Ein Satz, der vielleicht mehr als jemals zuvor den Status Quo der ganzen Welt repraesentiert. Aber was muss sich in der Formel 1 aendern? Die Kosten muessen gesenkt und vor Allem die Einnahmen gleichmaessiger verteilt werden, um auch kleinen Teams eine Ueberlebenschance zu gewaehren.
Ein neues Concorde Abkommen koennte zurueck zu den Wurzeln fuehren, indem die Automobilkonzerne vertraglich wieder in die Position reiner Motorenlieferanten gedraengt werden. Doch passt dies nicht in die moderne Formel 1, in der Automobilkonzerne nicht nur wichtigster technischer Partner der Konstrukteursteams, sondern auch wichtigster Geldgeber sind, weil sie eben auch am meisten vom positiven Image eines erfolgreichen Teams profitieren. Es muss also eine Loesung gefunden werden, die weniger radikal ist.
Moeglich waere z.B., dass jeder Hersteller seine Motoren zu einem niedrigen, zu einem aus einem Fonds aller Hersteller subventionierten Preis mindestens einem anderen Team aktuelle Kundenmotoren anbieten muss. So dass Eddie Jordan, Paul Stoddart oder Helmut Marko zu BMW gehen koennen, und zum Fixpreis von 10 Millionen Euro Motoren fuer die Saison 2005 kaufen koennen. Wer zuerst da ist, bekommt die Motoren und die anderen muessen es bei Honda, Renault oder Mercedes versuchen. Die Differenz zwischen den tatsaechlichen Kosten und den zu zahlenden 10 Millionen wird aus dem Fonds bezahlt, so dass alle Hersteller gleichermassen betroffen sind, ob sie ein zweites Team ausruesten, oder nicht.
Dann muessen langfristig die Kosten fuer den Bau und die Entwicklung der Motoren gesenkt werden, auch um anderen Global Playern wie VW (z.B. mit Audi) oder General Motors den Einstieg attraktiver zu gestalten. Der derzeit diskutierte Vorstoss, dass ein Motor vom Rennsamstag bis zum naechsten Rennfreitag halten muss, wuerde zum Schutz des Motors die sehr teuren Testfahrten zwischen den Rennen reduzieren. Zudem koennte ueber eine Begrenzung der Drehzahl bei 15.000 oder 16.000 nachgedacht werden, was Anfaelligkeit, Leistung, Verbrauch und Entwicklungskosten reduziert.
Was auch immer passiert, eines scheint klar: die Formel 1 braucht auch eine neue Fuehrung. Gerhard Berger waere ein moeglicher Mann fuer die Formel 1, doch spreche ich ihm derzeit noch die oekonomische Kompetenz und das Vermoegen ab, die verschiedenen Vorstellungen der grossen Konzerne zukunftsfaehig zu vereinen.
Daher moechte ich an dieser Stelle einen anderen Namen ins Gespraech bringen, falls dies nicht schon durch andere Medien passiert ist. Als starken Nachfolger fuer Bernie Ecclestone kann ich mir Norbert Haug sehr gut vorstellen. Motorsportliche Kompetenz, oekonomisches Verstaendnis und internationale Akzeptanz kann er neben seinem Koerpergewicht in die Waagschale werfen. Auch ein Flavio Briatore, der ohnehin bei Renault aufhoert, waere eine denkbare Alternative.
In einem muss man zurueck zu den Wurzeln. Das Heute muss schnell und unbuerokratisch zu einer Formel 1 2005 gebracht werden, in der weiterhin 20 Fahrzeuge in spannenden Rennen, wofuer die heurige Saison mit Ausnahme der Ferrari Ueberlegenheit schon gute Ansaetze lieferte, um den Titel kaempfen. Zudem muss aber fuer "Uebermorgen" auch ein langfristiges Vertragskonstrukt geschaffen werden, das das Ueberleben der Formel 1 ueber die naechsten 7-10 Jahre sichert.
Sportlich bietet diese Phase nun ein paar interessante Alternativen. Das Concorde Abkommen garantiert 20 Fahrzeuge in der WM. Und an das Abkommen sind alle Teams gebunden. Sollte sich kein Jaguar Nachfolger finden und/oder Jordan und/oder Minardi kein Paket fuer 2005 schnueren koennen, muessten 2, 4 oder gar 6 Teams ein drittes Auto an den Start bringen. Waere dann der Vertrag von Sauber mit Villeneuve das Papier wert, auf dem er gedruckt ist? Oder wuerde Renault mit dem Trio Alonso, Villeneuve, Fisichella auf die Jagd nach dem WM Titel gehen?
Ohnehin sind noch einige Fahrerfragen offen. Als uninformierter Hobbyjurist vermute ich, dass Jenson Button bei Williams fahren wird, was zur Frage fuehrt, wer die auch 2005 recht konkurrenzfaehigen 2-3 BAR Honda pilotieren wird. Sato scheint fix, aber wer kommt noch? Vielleicht doch Mika Hakkinen, die Anzeichen dafuer verdichten sich, auch wenn, oder gerade weil es darum in letzter Zeit recht still geworden ist. Wuerde Massa einen dritten Ferrari fahren? Und kaeme Gary Paffett zu einem Formel 1 Debut im dritten McLaren neben Raikkonen und Montoya?
Wir koennen uns in gewisser Hinsicht freuen, denn ganz sicher werden die nechsten Wochen und Monate bis zum Jahreswechsel deutlicher spannender, als der diesjaehrige WM Kampf, der im Prinzip schon nach 4 Rennen entschieden war. Dennoch koennte ich mit meiner Prognose Recht behalten, dass es 2004 6 verschiedene Grand Prix Sieger gibt. Dass einer davon aber 12 Rennen gewinnt, hatte ich nicht gedacht."
Original unter
http://www2.tip-f1.net/alexcorner.php
Viele Grüße,
NoSt