Nachdem der MotoGP-Samstag in Jerez für Francesco Bagnaia und Marc Marquez noch auf bittere Art und Weise geendet hatte, lieferten sich die beiden Ducati-Alphatiere im Hauptrennen am Sonntag einen packenden Zweikampf um den Sieg. Zweimal attackierte Marquez seinen führenden Kontrahenten in Kurve neun, konnte sich aber in beiden Fällen nicht vorne halten. Beim ersten Angriff war es sogar zum Kontakt gekommen, der allerdings folgenlos blieb. Die Geschehnisse aus Portimao, als die beiden vor fünf Wochen miteinander gecrasht waren, wiederholten sich also nicht. Dass dem so war, soll jedoch nur an einer Person gelegen haben: Marc Marquez.

"In Kurve zehn war es verdammt eng. Wir sind nicht gestürzt, weil ich mich diesmal dazu entschieden habe, nachzugeben", meinte der spanische Superstar in der offiziellen MotoGP-Pressekonferenz am Sonntagnachmittag. Doch wer nun denkt, dass Marquez anschließend zu einer Wutrede ansetzte, liegt falsch. Ganz im Gegenteil: "Kontakt kann vorkommen, das gehört zum Racing dazu. Heute war ich clever genug, zur richtigen Zeit nachzugeben. Wenn ich das nicht getan hätte, wären wir gestürzt. Pecco hat sich aggressiv verteidigt, aber das war alles noch im Rahmen. Genau so sieht Racing für mich aus."

Marc Marquez mit Geistesblitz: Hab an Valencia 2023 und Martin gedacht

Hatte sich der Gresini-Pilot nach dem gestrigen Sprint noch harte Kritik von Miguel Oliveira und Joan Mir anhören müssen, verzichtete er heute auf einen Gegenschlag. "Ich habe gesehen, dass Pecco reinstechen wird und habe das Bike daraufhin etwas aufgerichtet, um ihm auszuweichen. Er macht das immer wieder und manchmal klappt es, manchmal aber auch nicht. Das hätte null Punkte für mich bedeuten können", beschreibt er und gestand, sich im Zweikampf mit Bagnaia an einen Moment aus dem vergangenen Jahr erinnert zu haben: "Ich hatte einen Geistesblitz und habe an Valencia und Jorge Martin gedacht. Das war eine identische Situation. Es wäre vielleicht nicht mein Fehler gewesen, hätte aber null Punkte für mich bedeutet. Daher habe ich es bevorzugt, das Bike aufzurichten und in der nächsten Runde nochmal anzugreifen. Dann war mein Reifendruck aber schon zu hoch."

Beim Saisonfinale 2023 hatte Marquez bei einer Attacke des damals noch im WM-Kampf befindlichen Pramac-Piloten nicht zurückgezogen und gegengehalten. Die Folge war, dass beide Fahrer im Kiesbett landeten, Marquez sogar per heftigem Highsider. "Heute war der Zeitpunkt, um auf dem Podium zu stehen und nicht, um zu stürzen. Drei Stürzen in Folge wären zu viel", erklärt er. "Ich habe die Position vielleicht verloren, aber 20 Punkte mitgenommen. Es muss nicht jedes Mal der Fahrer, der eine Situation auslöst, volle Verantwortung dafür übernehmen. Manchmal kann auch der Fahrer, der einstecken muss, den Kontakt verhindern. Das habe ich dieses Mal getan."

Kollision zwischen Marc Marquez und Jorge Martin beim MotoGP-Finale in Valencia
In Valencia 2023 flog Marc Marquez nach Kontakt mit Jorge Martin heftig ab, Foto: LAT Images

Francesco Bagnaia kontert Marquez: Cleverer Kontakt von mir!

Überraschend reflektierte Aussagen des achtfachen Weltmeisters, der sich Bagnaia damit 'freiwillig' geschlagen gab. Der amtierende MotoGP-Champion hatte jedoch einen etwas anderen Blick auf den Zweikampf. "Wenn du gegen Marc kämpfst, musst du die Ellbogen ausfahren. Diese Kämpfe sind sehr intensiv", sagt er. "Dass es dabei zum Kontakt kommen kann, nimmst du quasi in Kauf. Ich war da recht clever, als ich innen war und er versuchte, außen um mich herum zu fahren. Während er das Bike leicht aufgerichtet hat, habe ich mich noch mehr in ihm hineingelehnt. Wenn ich ebenfalls aufgerichtet hätte, hätte mein Bike nämlich in die andere Richtung gelenkt und es wäre das gleiche wie gestern passiert. Das war also ein ziemlich kluger Kontakt von mir."

Francesco Bagnaia lehnte sich im Zweikampf mit Marc Marquez an, Foto: LAT Images
Francesco Bagnaia lehnte sich im Zweikampf mit Marc Marquez an, Foto: LAT Images

Welcher der beiden Ducati-Stars nun im Recht ist, unterscheidet sich wohl von Betrachter zu Betrachter. Klar ist einzig: Bagnaia hatte den Zweikampf mit Marquez bewusst in diese Richtung gelenkt. "Ich wusste, dass ich mich nur an einer Stelle gegen ihn verteidigen kann. Ich war im Kurveneingang zu Turn 9 sehr stark, deshalb sagte ich mir, dass ich in Kurve acht bloß kein Risiko eingehen darf und einfach für Neun so spät bremsen muss wie möglich, um einen Vorteil zu schaffen. Dann muss er nämlich noch später bremsen und wird weitgehen. Das konnte ich dann nutzen, um innen wieder vorbeizugehen."

Klappte diese Taktik beim ersten Marquez-Angriff noch mehr schlecht als recht, ging der Plan beim zweiten Angriff eine Runde später voll auf. Dadurch wiederholte sich der Rennausgang des Aragon Grand Prix 2021, als Bagnaia schon einmal die Oberhand über die Startnummer 93 behalten und damit seinen ersten MotoGP-Rennsieg eingefahren hatte. "Heute hatte in den letzten Runden mehr Körner übrig als er", blickt der Ducati-Pilot zurück. "Damals waren wir in etwa auf der gleichen Pace unterwegs, in den letzten Runden war er sogar etwas stärker. Heute konnte ich in den letzten Runden aber etwas mehr nachlegen."