Anfang Oktober einigte sich Marc Marquez nach elf gemeinsamen und höchsterfolgreichen Jahren mit dem HRC-Konzern auf eine vorzeitige Vertragsauflösung. Er wechselt zur MotoGP-Saison 2024 zu Gresini Racing und pilotiert dort eine Ducati Desmosedici GP23. Durch diesen Schritt will Marquez im kommenden Jahr wieder an der Spitze der Königsklasse kämpfen. Der scheidende Repsol-Honda-Pilot ist allerdings nicht der erste MotoGP-Weltmeister, der zum Hersteller aus Borgo Panigale wechselt. Seine Vorgänger konnten nur bedingt glänzen. Motorsport-Magazin.com blickt zurück:

Ducatis Weltmeister-Zugänge: Nicky Hayden macht den Anfang

Insgesamt drei Titelträger der MotoGP versuchten sich vor Marc Marquez bei Ducati, das große Glück fand dort keiner von ihnen. Den Anfang machte Nicky Hayden: Der US-Amerikaner setzte sich 2006 in einem packenden WM-Kampf erst beim Saisonfinale in Valencia gegen Valentino Rossi durch und krönte sich zum einzigen Mal in seiner Karriere zum MotoGP-Weltmeister. Die folgenden beiden Jahre 2007 und 2008 verliefen aber enttäuschend. Hayden gelang kein Sieg mehr, fünf Podestplätze und eine Pole Position waren das höchste der Gefühle. Im teaminternen Duell hatte er mit Dani Pedrosa klar das Nachsehen und rutschte zur 'Nummer Zwei' bei Repsol Honda ab.

Nicky Hayden scheiterte bei Ducati u.a. an seinem , Foto: Milagro
Nicky Hayden scheiterte bei Ducati u.a. an seinem , Foto: Milagro

2009 suchte Hayden deshalb eine neue Herausforderung und wechselte zu Ducati, wo ein Nachfolger für den enttäuschenden Marco Melandri gesucht wurde. Die Erwartungen waren hoch, erfüllen konnte sie der US-Amerikaner aber nie. In seinen fünf Jahren bei den Roten gelang es ihm nie, einen Teamkollegen in der Fahrer-WM zu übertrumpfen und speziell im direkten Vergleich mit Casey Stoner sah Hayden schlecht aus. In seiner Debütsaison erzielte er nur 104 Punkte und damit weniger als halb so viele wie Stoner, der sogar drei Rennen verletzt verpasst hatte. Während der Australier 2009 und 2010 mehrere Rennen gewinnen konnte, blieb Hayden in seiner fünfjährigen Ducati-Zeit sieglos. Generell gelangen ihm nur drei Podestplätze, WM-Rang sieben sollte sein bestes Endergebnis bleiben.

Speziell in den letzten beiden Jahren wurden Haydens Resultate immer schlechter, 2013 schaffte er es einzig beim Frankreich-GP in die Top Fünf. Während der US-Amerikaner selbst nicht mehr an seine Leistungen aus frühen Honda-Zeiten anknüpfen konnte, machte zu diesem Zeitpunkt aber auch die Ducati Desmosedici immer mehr Rückschritte. "Es ist eine große Herausforderung, das Gefühl für dieses Motorrad zu finden und sich an das Limit heranzutasten. Das Motorrad verzeiht nichts", sagte er damals. Das große Problem: Hayden stand stehts im Schatten seiner Teamkollegen und bekam bei der Entwicklung des Bikes wenig Gehör: "Ich würde sagen, dass ich etwas Einfluss hatte, doch ich würde nicht behaupten, dass ich sehr viel Einfluss hatte." So scheiterte der Weltmeister von 2006 an der Aufgabe 'Ducati' schließlich ziemlich krachend.

Valentino Rossi und Ducati: Zwei Jahre Hölle statt Traum-Ehe

Als Hayden den Hersteller aus Borgo Panigale Ende 2013 zu Aspar verließ, war er allerdings nicht der erste eingekaufte MotoGP-Weltmeister, der am Projekt 'Ducati' gescheitert war. Ein Jahr zuvor hatte bereits MotoGP-Legende Valentino Rossi die Flucht ergriffen. Der Italiener war 2011 als Nachfolger von Casey Stoner zu den Roten gewechselt, nachdem er sich bei Yamaha mit Jorge Lorenzo zerstritten hatte. Der neunfache Champion bei Ducati - was eigentlich eine Traum-Ehe werden sollte, entwickelte sich für beide Seiten zur reinsten Höllenqual.

Valentino Rossi erlebte bei Ducati die schwerste Zeit seiner MotoGP-Karriere, Foto: Milagro
Valentino Rossi erlebte bei Ducati die schwerste Zeit seiner MotoGP-Karriere, Foto: Milagro

Schon im Vorjahr hatte sich abgezeichnet, dass die Ducati im direkten Vergleich mit Yamaha und Honda immer mehr ins Hintertreffen geriet. Da Stoner 2010 aber noch drei Rennen gewinnen und die WM auf Platz vier, nur acht Punkte hinter Rossi, beendet hatte, waren die Erwartungen an den neunfachen Weltmeister dennoch enorm. Die Ankunft in der Realität kam entsprechend hart: Lediglich drei Podestplätze in zwei Jahren und kein einziger Sieg, dazu die WM-Ränge sieben (2011) und sechs (2012). Nicht einmal in seiner Debütsaison in der Königsklasse im Jahr 2000 schnitt Rossi schlechter ab.

Der Italiener fand nie ein gutes Gefühl für die Ducati Desmosedici, er klagte über Probleme in allen Bereichen. "Die Ducati-Ingenieure haben alles versucht, um das Bike an Valentinos Fahrstil anzupassen", verriet Sportdirektor Paolo Ciabatti erst kürzlich. Keine Neuerung brachte jedoch den erhofften Fortschritt und so ergriff Rossi, auch in Anbetracht seines fortgeschrittenen Alters, Ende 2012 schon wieder die Flucht. Er heuerte wieder bei Yamaha an, wo er für weitere vier Jahre Teamkollege von Lorenzo werden sollte.

Jorge Lorenzo: Ducati-Durchbruch erst nach der Flucht

Ausgerechnet jener Jorge Lorenzo sollte es dann sein, der Anfang 2017 als dritter MotoGP-Weltmeister zu Ducati wechselte, er unterschrieb einen Zweijahres-Vertrag bis zum Ende der Saison 2018. Zu diesem Zeitpunkt hatte es Borgo Panigale dank 'Superhirn' Gigi Dalligna bereits geschafft, wieder ein siegfähiges Paket zusammenzustellen. Andrea Dovizioso kämpfte 2017 gar bis zum Saisonfinale in Valencia mit Marc Marquez um den WM-Titel. Lorenzo selbst hätte davon trotz Mega-Gehalt aber kaum weiter entfernt sein können. Der erhoffte Heilsbringer blieb erstmals in der MotoGP sieglos und erzielte in seiner Debütsaison in Rot lediglich drei Podestplätze.

Jorge Lorenzo brach bei Ducati erst durch, als er seinen Abgang schon fixiert hatte, Foto: gp-photo.de/Ronny Lekl
Jorge Lorenzo brach bei Ducati erst durch, als er seinen Abgang schon fixiert hatte, Foto: gp-photo.de/Ronny Lekl

Weil es auch zu Saisonbeginn 2018 kaum besser wurde - Lorenzo sammelte in den ersten fünf Rennen lediglich 16 Punkte - entschied er sich noch vor dem Ducati-Heimspiel in Mugello zu seinem Abschied mit Jahresende. Was dann folgte, ist eine der größten "Was wäre wenn"-Geschichten der jüngeren MotoGP-Historie. Denn plötzlich platze der Knoten: Lorenzo gelangen in Italien und Barcelona zwei Siege in Serie, beim Österreich-GP stand er ein weiteres Mal ganz oben auf dem Podest. Zudem erzielte der Spanier in dieser Zeit vier Pole Positions und eine weitere Podestplatzierung als Zweiter in Tschechien.

Kurzzeitig sah es danach aus, als könnte Lorenzo gar noch in den WM-Kampf mit Marquez und Dovizioso eingreifen. Diese Hoffnungen wurden jedoch durch zwei Stürze in Misano und Aragon schnell wieder beendet. Bei Letzterem verletzte sich der dreifache Weltmeister sogar so schwer am Bein, dass er die nächsten vier Grand Prix auslassen musste und erst beim Saisonfinale in Valencia nochmal auf die Ducati Desmosedici GP18 zurückkehren konnte. Dort endete seine Ducati-Zeit dann in einem chaotischen Regenrennen mit Platz 12. Anschließend zog Lorenzo als bislang erfolgreichster und doch ebenso gescheiterter Ex-MotoGP-Weltmeister auf einer Ducati zu Repsol Honda weiter, wo er seine Karriere nur ein verletzungsgeprägtes Jahr später beenden sollte.

Scheitert auch Marc Marquez auf Ducati?

Die Vorzeichen für Marc Marquez stehen mit Blick auf die Vergangenheit also nicht sonderlich gut. Dabei gilt es aber natürlich einzuordnen, dass sich bei Ducati seit der Lorenzo-Zeit einiges verändert hat. Die Italiener verfügen mittlerweile über das klar beste Bike im MotoGP-Grid, Marquez muss also keine Aufbauarbeit mehr leisten. Außerdem startet der achtfache Weltmeister nicht für das Ducati-Werksteam, sondern für einen Kunden-Rennstall. Der Spanier kommt nicht als großer Hoffnungsträger, der die lange Titeldurststrecke beenden soll, im Gegenteil: Bei Gresini Racing erhält Marquez nicht einmal das gleichwertige Material wie Francesco Bagnaia, Jorge Martin und Co., er muss mit einer Vorjahresmaschine vorliebnehmen.

Marc Marquez pilotiert 2024 die Ducati von Francesco Bagnaia und Jorge Martin aus der Saison 2023, Foto: LAT Images
Marc Marquez pilotiert 2024 die Ducati von Francesco Bagnaia und Jorge Martin aus der Saison 2023, Foto: LAT Images

Und dennoch wird sich auch der 30-jährige Spanier aus Cervera an seinen Ergebnissen bei den Roten messen lassen müssen. Die Ducati Desmosedici GP23 dominierte in diesem Jahr in den Händen von Bagnaia und Martin die MotoGP, Siege sind ohne Zweifel möglich. Auch ein Kampf um den WM-Titel ist mit einer Vorjahres-Maschine machbar, das haben Enea Bastianini (2022) und Marco Bezzecchi (2023) bereits gezeigt. Marquez muss es ihnen gleichtun, um sich nicht in einer Reihe mit Hayden, Rossi und Lorenzo einzureihen. Die Vorzeichen dafür stehen aber besser denn je.