Seit vergangenem Sonntag ist die Formel 1 um eine verbale Entgleisung reicher. Ausgerechnet der sonst immer zu Späßchen aufgelegte Daniel Ricciardo schimpfte nach dem China Grand Prix mächtig gegen Lance Stroll, der ihm in der Safety-Car-Phase unachtsam ins Heck gekracht war und so für den Ausfall des RB-Piloten sorgte. "F*ck den Kerl!", hieß es nach dem Rennen vom Australier in Richtung des Kanadiers. "Offenbar bin ich der Idiot und es war meine Schuld. Das bringt mein Blut zum Kochen", wetterte er bei den Interviews weiter.

In der Formel 1 herrscht dicke Luft! Die wichtigsten Momente des Großen Preis von China nimmt Christian für euch noch einmal unter die Lupe:

Ricciardo schimpft auf Stroll: "F*CK that Guy!" (15:32 Min.)

Hitzige Situationen sind in der Formel 1 vorprogrammiert - besonders wenn es zu Rad-an-Rad-Duellen auf der Strecke kommt. Wenn aber die Stimmung auch nach dem Rennen nicht abkühlt, sondern das Duell in verbalen und manchmal sogar körperlichen Eskalationen fortgesetzt wird, werden dabei oft denkwürdige Geschichten geschrieben. Motorsport-Magazin sammelt für euch neun F1-Momente der letzten 40 Jahre, die viel Zündstoff boten.

Belgien 1998: Schumacher vs. Coulthard

Einer der wohl legendärsten Unfälle mit beinahe handgreiflichen Folgen ereignete sich 1998 im Starkregen von Spa. Michael Schumacher, damals auf der Jagd nach dem ersten Titel in Rot und mit seinem Ferrari souverän in Führung liegend, läuft auf Nachzügler David Coulthard im McLaren auf. Dieser wollte unter den schwierigen Bedingungen Platz machen und fuhr dafür auf den rechten Begrenzungsstreifen. Wegen der starken Gischt war die Sicht von Schumacher jedoch stark eingeschränkt und er wurde durch Coulthards Manöver überrascht. Das Schicksal nahm seinen Lauf. Mit dem rechten Vorderreifen krachte Schumacher in Coulthards Heck und riss sich das Rad samt Aufhängung ab.

Beim Chaosrennen von Spa gerieten Michael Schumacher und David Coulthard gehörig aneinander - und auf einmal fuhr Schumis Ferrari nur noch mit drei Reifen, Foto: Sutton
Beim Chaosrennen von Spa gerieten Michael Schumacher und David Coulthard gehörig aneinander - und auf einmal fuhr Schumis Ferrari nur noch mit drei Reifen, Foto: Sutton

Infolge der Kollision mussten beide Fahrer ihre Autos in der Garage abstellen. Lädierte Boliden und erhitzte Gemüter inklusive. Aufgebracht stürmte der Ferrari-Pilot sofort in die McLaren-Garage und holte zur Konfrontation aus: "Willst du mich umbringen?", schrie er Coulthard an. Der Vorwurf von Schumacher an Coulthard: Er hätte absichtlich gebremst und so den Unfall provoziert. Tatsächlich ging der Schotte vom Gas, da er verlangsamen wollte, um den damals zweifachen deutschen Weltmeister passieren zu lassen. Die Mechaniker konnten die beiden Streithähne trennen, bevor es zu ernsthaften Handgreiflichkeiten kam.

Deutschland 1982: Piquet vs. Salazar

Noch weiter zurück liegt der Angriff von Nelson Piquet auf Eliseo Salazar beim Deutschland Grand Prix 1982 auf dem Hockenheimring. Der Brasilianer im Brabham BT50 - damals sieben F1-Siege auf der Haben-Seite - startete von Platz 4, übernahm aber bereits nach zwei Runden die Führung und baute rasch einen Vorsprung aus. In der 19. Runde stand die Überrundung des chilenischen Rennfahrers Salazar im ATS D5 an. Dieser rammte Piquet in einem ungeschickten Manöver und nahm ihn aus dem Rennen. Nach dem Abflug kaum zum Stehen gekommen, sprang Piquet schon wutentbrannt aus dem Auto und ging mit Schlägen und Tritten auf den durch die Kollision ebenfalls ausgeschiedenen Salazar los.

Brasilien 2018: Verstappen vs. Ocon

36 Jahre später trat Max Verstappen in die unrühmlichen Fußstapfen seines Schwiegervaters. Dieses Mal war es kein Überrundungs-, sondern ein Rückrundungsmanöver, das den Fight auslöste. Auf dem Autódromo de Interlagos führte Verstappen das Feld an. Den bereits überrundeten Force-India-Pilot Esteban Ocon packte auf den frischen, schnellen Reifen der Ehrgeiz. Um danach auf seine Kontrahenten aufzuschließen, startete er einen waghalsigen Entrundungsversuch auf den Führenden. Im zweiten Teil des Senna S stach er innen rein und griff Verstappen aggressiv an. Der Niederländer fuhr jedoch auf seiner Linie weiter, drehte sich und verlor die Führung an Lewis Hamilton.

Ocon versuchte es in Brasilien 2018 mit der Brechstange und bekam im Anschluss Verstappens Wut zu spüren, Foto: Sutton
Ocon versuchte es in Brasilien 2018 mit der Brechstange und bekam im Anschluss Verstappens Wut zu spüren, Foto: Sutton

Noch aus dem Cockpit heraus zeigte Verstappen dem Franzosen den Mittelfinger. Am Funk ergoss sich ein Schwall wütender Worte. Doch damit nicht genug. Das Drama setzte sich nach Rennende in der FIA-Garage fort. Verstappen, noch erfüllt von der Hitze des Gefechts und nicht bereit, zu vergeben und vergessen, schubste seinen Rivalen zwei Mal hart beiseite, als sich dieser um eine Klärung des Vorfalls bemühte. Anders als in den 1980er Jahren gab es 2018 für solche Handgreiflichkeiten allerdings Konsequenzen durch die FIA: Die Richter erteilten dem jungen Niederländer als Erziehungsmaßnahme zwei Tage gemeinnützige Arbeit.

Brasilien 2009: Trulli vs. Sutil

Ein weiteres Mal war der Große Preis von Brasilien Schauplatz einer hitzigen Auseinandersetzung. Übeltäter diesmal: Jarno Trulli im Toyota gegen Adrian Sutil im Force India. Trulli versuchte, Sutil außen zu überholen, wobei es zu einer Berührung kam, bei der sich das Auto des Deutschen drehte und abflog. Als leidtragender Dritter der Kollision mit involviert war damals auch Fernando Alonso. Ein typischer Rennunfall in der Startrunde - so beurteilten es die Rennkommissare. Trulli, indessen fest davon überzeugt, er trage keine Schuld, stellte Sutil nach dem Vorfall zur Rede. Der Italiener und der Deutsche lieferten sich neben ihren havarierten Fahrzeugen einen intensiven verbalen Schlagabtausch auf dem Grünstreifen. Die Fehde ging am folgenden Grand-Prix-Wochenende in Abu Dhabi in die nächste Runde und sorgte bei den anderen Pressekonferenz-Teilnehmern für großes Amüsement.

Europa 2007: Alonso vs. Massa

Zwei Jahre zuvor war Alonso selbst Auslöser eines Wortgefechts im Anschluss an den Großen Preis von Europa auf dem Nürburgring. Es begann mit einem Überholmanöver des McLaren-Fahrers gegen WM-Rivalen Felipe Massa im Ferrari. Auf abtrocknender Strecke lag Massa zunächst vor Alonso an der Spitze. Doch als es wieder zu regnen begann, kam der McLaren auf den Intermediates besser mit den Bedingungen klar. In Runde 56 zog der Spanier außen in Kurve 5 an Massa vorbei, der Brasilianer lenkte nach rechts und rammte Alonso.

Wenn zwei Formel-1-Legenden Rad an Rad um die Führung kämpfen, geht das nicht immer schadenfrei vonstatten, Foto: Sutton
Wenn zwei Formel-1-Legenden Rad an Rad um die Führung kämpfen, geht das nicht immer schadenfrei vonstatten, Foto: Sutton

Zwar konnten beide nahezu unbeschadet das Rennen auf Platz 1 und 2 zu Ende fahren. Der temperamentvolle Asturier war trotzdem alles andere als begeistert von Massas Überholmanöver. Im Parc Fermé deutete er demonstrativ auf den zerbeulten Seitenflügel seines Boliden. Anschließend kam es im Cool-Down-Room zum Eklat. Alonso machte Massa große Vorwürfe für den Schaden an seinem Auto. Der Brasilianer reagierte gereizt: "Komm, f*** dich! Du hast gewonnen und machst hier so ein Theater. Du bist ein A****!"

USA 2015: Rosberg vs. Hamilton

Alles andere als freundlich ging es auch bei Nico Rosberg und Lewis Hamilton im alljährlichen Titelkampf zu. Ein denkwürdiges Beispiel lieferte der United States Grand Prix 2015 in Austin. Direkt nach dem Start kam es in der ersten Kurve zur Mercedes-internen Berührung. Rosberg, der von der Pole aus ins Rennen ging, wurde vom besser startenden Hamilton abgedrängt und verlor Positionen. Hamilton ging in Führung und gewann an diesem Tag nicht nur das Rennen, sondern auch sein WM-Triple.

Trotz Doppelsieg und Fahrertitel, den das Team an diesem Wochenende holte, gab es für Rosberg und Hamilton im Cool-Down-Room nichts gemeinsam zu feiern. Im Raum, erfüllt von eisigem Schweigen, flogen die Pirelli-Kappen zwischen den bockigen Teamkollegen hin und her.

China 2016: Vettel vs. Kvyat

Ein Jahr später kürte Sebastian Vettel beim Großen Preis von China Daniil Kvyat zum Torpedo. Anlass dafür ist die teaminterne Ferrari-Kollision zwischen Vettel und Räikkönen, für die der Deutsche den Russen verantwortlich machte. Am Start übernahm Ricciardo die Führung vor Rosberg. Dahinter lag Kimi Räikkönen an dritter Position und Vettel auf vier. Trotz eines suboptimalen Starts wollte Vettel an Räikkönen vorbeigehen. Das gleiche Vorhaben verfolgte allerdings auch Kvyat im Red Bull, der schnell angeschossen kam und mit einem riskanten Manöver überholte. Vettel wich nach außen aus und räumte seinen Teamkollegen ab.

Vettel und Kvyat kamen auf Position 2 und 3 ins Ziel und begegneten sich somit nach dem Rennen im Cool-Down-Room vor der Podiumszeremonie wieder. Vettel, der auf der Strecke schon kräftig am Boxenfunk wetterte, was für eine selbstmörderische Aktion das gewesen wäre, konnte Kvyat nun direkt konfrontieren. "Was ist da am Start passiert? Wäre ich nicht nach links gezogen, wärst du in uns gecrasht und wir wären alle drei draußen gewesen. Du bist da reingeschossen wie ein Torpedo", ging er seinen Nachfolger bei Red Bull an. Sich selbst keiner Schuld bewusst, konterte Kvyat: "Das ist halt Racing."

Über die Schuldfrage sind sich Vettel und Kvyat beim China GP 2016 uneinig, Foto: Sutton
Über die Schuldfrage sind sich Vettel und Kvyat beim China GP 2016 uneinig, Foto: Sutton

Bereits im darauffolgenden Rennen wurde die Verbalschlacht fortgesetzt. Gleich doppelt schoss Kvyat den Ferrari von Vettel in der Startrunde ab und wurde wirklich zum Torpedo. Vettel war damals am Funk erneut stinksauer. Der Rest ist Geschichte: Kvyat wurde schon am darauffolgenden Wochenende bei Red Bull durch den Youngster Verstappen ersetzt, der seinem Team bis heute treu blieb und auf dem Weg zu WM-Titel Nummer 4 ist.

Ungarn 2017: Hülkenberg vs. Magnussen

Die deutschen Fahrer scheinen dieser Zeit einfach gerne in verbale Auseinandersetzungen involviert gewesen zu sein. So auch Nico Hülkenberg, der im Nachgang des Ungarn Grand Prix 2017 bei den TV-Interviews zusammen mit Kevin Magnussen für aufregende Szenen sorgte. Weil er sich über ein Manöver am Rennende, bei dem Magnussen ihn von der Strecke abgedrängt hatte, ärgerte, platzte Hülkenberg in die Medienrunde des Dänen, packte ihn am Arm und warf ihm vor: "Mal wieder der unsportlichste Fahrer des Grids." Dazu zeigte er ihm zynisch den Daumen hoch. Der Gegenschlag von Magnussen ließ nicht auf sich warten: "Suck my balls, honey!", giftete er zurück.

Nachtragend scheint allerdings keiner von beiden zu sein. Mittlerweile sind die beiden bei Haas Kollegen und zeigten diese Saison bereits ein tolles Teamplay im Kampf um die Punkteplatzierung.

Die Haas-Piloten Kevin Magnussen und Nico Hülkenberg
Von der einstigen Auseinandersetzung ist bei den Haas-Teamkollegen heute nichts mehr zu spüren, Foto: LAT Images

Imola 2021: Russell vs. Bottas

Einen letzten Zwischenfall haben wir noch - und der dürfte den meisten Formel-1-Fans wohl noch bestens im Gedächtnis sein. Beim Großen Preis der Emilia-Romagna 2021 krachte es zwischen Valtteri Bottas und George Russell zuerst auf und anschließend neben der Strecke. Übereifrig setzte der Williams-Fahrer in Runde 31 auf der Start-Ziel-Geraden mit geöffnetem DRS-Flügel zu einem Überholmanöver gegen den Mercedes-Fahrer an. Russell, der besser aus der letzten Kurve kam, rauschte mit einem massiven Tempo-Überschuss an. Aber Bottas wollte nicht klein beigeben und verteidigte hart. Von Bottas' Aktion überrascht, rutschte Russell auf eine feuchte Stelle und verlor die Kontrolle über sein Auto. Die Konsequenz: Beide schlugen in der Bande ein und landeten mit einem beschädigten Auto im Kiesbett.

Schon im Cockpit ließen beide Piloten über Funk eine Schimpftirade mit Fäkalausdrücken über den jeweils anderen los. Nach dem Abflug kochten die Emotionen über. Russell stieg aus seinem Williams aus und eilte zum Mercedes - aber nicht etwa, um bei seinem Kollegen nach dem Rechten zu sehen, sondern um ihm mit der Hand auf den Helm zu schlagen. Bottas' Antwort: Mittelfinger.

Selbstverständlich hatten in den Interviews beide eine Rechtfertigung für sich selbst parat und beschuldigten den Gegner für die Kollision. Angespannt war die Atmosphäre zwischen den beiden ohnehin schon. Als Russell 2020 in Bahrain als Ersatz für den erkrankten Hamilton spontan in den Mercedes sprang, stellte er mit einer beeindruckenden Performance Bottas deutlich in den Schatten. Viele Fans und Experten wollten ihn daraufhin gleich dauerhaft in das Mercedes-Cockpit befördern. Dementsprechend war die Saison 2021 geprägt vom Kampf um den begehrten Mercedes-Platz neben Hamilton für 2022, den schließlich Russell gewann.