Seit einigen Jahren schreibt das Formel-1-Reglement eine zweiwöchige Sommerpause in den Fabriken der Teams vor. Doch was bedeutet das genau? Werden die Fabriken komplett geschlossen und wann genau muss dies erfolgen? Motorsport-Magazin.com wirft mit der Hilfe von Mercedes und Williams einen Blick auf den sogenannten Shutdown.

Wann findet der Shutdown statt?

Einen festen Termin gibt es nicht. Artikel 24.1 der sportlichen Regularien besagt, dass er an 14 aufeinanderfolgenden Tagen in den Monaten Juli und/oder August stattfinden muss. Den Teams steht in diesem Zeitraum also frei, wann sie die Entwicklung ruhen lassen wollen. Beim Blick auf die Rennkalender erkennen wir aber, dass es dafür ein engeres Fenster gibt. 2023 gibt es nur zwischen dem Belgien Grand Prix (28.7 bis 30.7) und dem Rennen in Zandvoort (25.8. bis 27.8) genug Zeit für eine zweiwöchige Pause.

Belgien GP: George Russel
Nur nach dem Belgien GP gibt es genug Zeit für die Pause, Foto: LAT Images

Mercedes-Betriebsleiter Rob Thomas erklärt, wie wichtig gute Organisation in dieser Zeit ist: "Vorbereitung ist das A und O, denn wir fahren in Spa, also vor der Rennpause, und wenn wir dann zurückkommen, haben wir direkt ein weiteres Rennwochenende in Holland vor uns. Nach unserer Rückkehr haben wir also nur ein paar Tage Zeit, um die Autos zu bauen und nach Holland zu schicken, damit sie für das Rennen bereit sind." Der Shutdown-Zeitraum ist daher eine wichtige Entscheidung: "Die Wahl des Zeitpunkts für den Shutdown, denn es gibt eine gewisse Zeit, in der wir wählen können, wann wir aufhören und wann wir 14 Tage später wieder anfangen, wird bis ins kleinste Detail geplant."

Was wird stillgelegt?

Es kommt zu keiner Schließung der Fabriken. Verboten wird aber die Kernaufgabe eines jeden Formel-1-Teams. Alle Arbeiten, die sich auf die Leistungsfähigkeit des Autos auswirken, sind untersagt. Darunter fallen Design, Entwicklung, CFD, Windkanal, Simulator, Teileproduktion und so weiter. Dies geht so weit, dass es sogar verboten ist, E-Mail zu verschicken, Telefonate zu führen oder Besprechungen abzuhalten, in denen es um die Auto-Entwicklung geht.

Designer dürfen während des Shutdowns nicht arbeiten, Foto: Steve Etherington
Designer dürfen während des Shutdowns nicht arbeiten, Foto: Steve Etherington

Dies bedeutet aber nicht, dass in den Fabriken nichts passiert. Die Williams-PR-Abteilung beschreibt dies mit etwas Humor: "So sehr es uns auch schmerzt, das zu sagen, aber das Marketingteam hat technisch gesehen keinen Einfluss auf die Leistung des Autos, so dass wir wie unsere Freunde in anderen Abteilungen, zum Beispiel der Finanz- und Rechtsabteilung, ganz normal weitermachen können."

Was passiert in der Sommerpause in den Fabriken?

Je nach Bedarf eine Menge. Rob Thomas erklärt, warum es gut ist, dass der Dauerbetrieb in der Entwicklung zum Erliegen kommt: "Aus betrieblicher Sicht ist die Stilllegung wirklich wichtig. Wir planen viele Monate im Voraus für diese zwei Wochen. Erstens, um sicherzustellen, dass wir das letzte Rennen in bestmöglichem Zustand beenden, aber es ist auch die einzige Zeit in der Saison, in der wir einen Großteil unserer geplanten Wartungsarbeiten durchführen können. Wenn der Shutdown beginnt, können wir alle unsere Maschinen und Geräte vollständig warten und instand halten."

Instandhaltung, Modernisierung oder Installation von Infrastruktur, Software-Updates bei der IT-Abteilung oder einfach nur eine gründliche Reinigung des Gebäudes: All das geht natürlich viel leichter von der Hand, wenn den Arbeitenden nicht ständig Scharen von F1-Ingenieuren auf den Füßen stehen. Oder wie es Williams ausdrückt: "Es ist im Grunde die beste Zeit, um Grove etwas liebevolle Pflege zukommen zu lassen, nachdem es im letzten Jahr ein Hort voller Aktivitäten war."

Anlagen wie Produktionsmaschinen können in der Pause gewartet, repariert oder modernisiert werden, Foto: Mercedes-Benz
Anlagen wie Produktionsmaschinen können in der Pause gewartet, repariert oder modernisiert werden, Foto: Mercedes-Benz

Warum gibt es überhaupt einen F1-Shutdown?

Dafür können zweierlei Gründe genannt werden. Der erste wird in Zeiten des Budgetdeckels immer bedeutsamer: Kosteneinsparung. Der Betrieb von Anlagen wie Windkanälen ist bekanntermaßen nicht gerade günstig. Da die Regelung für alle Teams gleichermaßen gilt und bei einem Bruch Strafen drohen, gibt es beim Shutdown in dieser Hinsicht für keinen Beteiligten Vor- oder Nachteile. Dennoch ist so mancher Ingenieur wie Mike Elliot von Mercedes nicht besonders überzeugt von der Kostenargumentation: "Ich glaube zwar, dass es ineffizient ist, die Fabrik herunterzufahren und dann wieder neu zu starten, aber das ist für jedes Team gleich. Jedes Team hat die gleiche zweiwöchige Pause zu nehmen."

Betriebskosten wie die der Windkanäle sollen eingespart werden, Foto: Mercedes-AMG
Betriebskosten wie die der Windkanäle sollen eingespart werden, Foto: Mercedes-AMG

Der zweite Grund für den Shutdown ist noch deutlich notwendiger, als Kosten zu sparen. Der Formel-1-Kalender platzt in den letzten Jahren aus allen Nähten. Damit ist die Belastung für die Mitarbeiter hoch. Ron Meadows, sportlicher Leiter bei Mercedes, ist daher sehr dankbar für die verordnete Ruhepause: "Der F1-Shutdown während der Saison ist unglaublich wichtig für alle Mitarbeiter des Rennteams, aber nicht nur für sie, sondern auch für ihre Familien. Es ist ein Zeitraum von zwei Wochen, in dem man sich voll und ganz auf sich selbst konzentrieren kann, ohne Unterbrechung durch E-Mails oder SMS oder Whatsapps oder Gedanken an Meetings oder das nächste Rennen. Es ist eine wirklich gute Zeit, um die Batterien wieder aufzuladen."

Auch Williams macht klar, wie entscheidend diese zwei Wochen für die Ingenieure und Mechaniker sind: "Diese 14 Tage sind die perfekte Zeit, um völlig abzuschalten, die dringend benötigte Zeit mit den Liebsten zu verbringen und ein wenig echte Erholung zu genießen. Das Schöne an der Abschaltung ist, dass alle, von den Ingenieuren bis zu den Fahrern, keine andere Wahl haben, als der Arbeit aus dem Weg zu gehen, da das obligatorisch ist."

Kein Shutdown für den Ingenieurskopf

Man bekommt den Ingenieur vielleicht aus der Fabrik, aber nicht aus dem Kopf. Arbeiten ist verboten im Shutdown, Nachdenken aber nicht. Mike Elliot kann der Pause in dieser Hinsicht etwas Gutes abgewinnen: "Ich denke, wenn man versucht, kreativ zu sein, wenn man eine Pause einlegt, um sein Gehirn zu regenerieren und über andere Dinge nachzudenken, dann entstehen oft interessante neue Ideen, auf die man vorher nicht gekommen wäre. Wenn einem also etwas Interessantes in den Sinn kommt, dann denkt man: Okay, vielleicht kann ich das geistig erforschen. Für viele von uns ist es ein Teil des Lebens, man denkt ständig an den Motorsport, egal ob man auf der Rennstrecke oder zu Hause ist." So manche zündende Formel-1-Idee ist daher vielleicht auch schon in der Hängematte im heimischen Garten und nicht auf dem Bürostuhl entstanden.