Als Rennsieger Sebastian Vettel im Parc Fermé ankam, war Mark Webber bereits ausgestiegen. Im Aufenthaltsbereich hinter dem Podest ließ der Australier die anderen beiden Piloten lange auf sich warten. Als er schließlich den Raum betrat, wurde auf Grund aller Mienen schnell klar: So viel Zündstoff wie im Duell um den Sieg beim Malaysia GP gab es schon lange nicht mehr. Zunächst würdigte Webber Vettel keines Blickes. Anschließend sagte er: "Seb, Multi 21... 21!" Übersetzt heißt der Code für den Teamfunk, die Nummer zwei kommt vor der Nummer eins ins Ziel - Red Bull hatte sich also per Ansage vom Kommandostand bereits auf einen Webber-Sieg vor Vettel geeinigt, anschließend beide Piloten angewiesen, Tempo rauszunehmen und den Doppelerfolg sicher ins Ziel zu bringen.
Auf der Strecke kam es bekanntlich anders. Webber platzte auf dem Podium anschließend der Kragen, in Bezug auf Vettel legte er nach: "Am Ende hieß es dann: 'Regele den Motor runter, wir wollen das Rennen so zu Ende fahren.' Das Team sagt, wir sollen die Reifen schonen und Gas wegnehmen, aber Seb hat seine eigene Entscheidung getroffen - das macht er immer so und so war es auch diesmal." Webber fügte hinzu: "Ich für meinen Teil dachte, der Kampf ist schon vorüber. Es ist sehr enttäuschend, wenn es so läuft." Beim Verlassen des Treppchens legte der 36-Jährige abermals nach, glaubte zu wissen, wie das Team mit der Kontroverse umgehen werde. "Von Team wird Seb beschützt werden - wie immer."
Horner kritisiert Vettel scharf
Doch diesmal irrte Webber sich, denn auch von Teamchef Christian Horner gab es in Bezug auf Vettels Überholmanöver zum Sieg anschließend ungewohnt kritische Worte. Bereits am Funk hatte er gesagt: "Das ist dumm Seb, komm schon..." Anschließend erklärte der Red-Bull-Chef: "Es war eine reine Fahrerentscheidung. Bis zum letzten Boxenstopp haben wir sie fahren lassen, aber nach den Stopps haben wir gesagt, sie sollen das Rennen kontrollieren und die Positionen halten - das war bevor Seb mit Mark den Kampf aufgenommen hat." Horner gestand ein, dass man in erster Linie vermeiden wollte, dass sich beide Piloten gegenseitig aus dem Rennen befördern würden - frei nach dem Negativbeispiel der legendären Kollision zwischen Vettel und Webber in der Türkei 2010. Der Brite erklärte: "Wir haben es beiden Fahrern klar gesagt, aber Seb wollte trotzdem kämpfen."
"Er hat sein eigenes Interesse über das des Teams gestellt und nicht auf die Punkte des Teams, sondern nur auf die 25 geschaut, die er holen wollte.", so Horner, der anfügte: "Für das Team war das eine höchst unkomfortable Situation, aber es ist schwierig, denn wenn man zwei so starke Fahrer hat wie wir, wollen natürlich beide gewinnen." Mit Blick auf den engen Zweikampf seiner Schützlinge auf der Start-Zielgeraden räumte der Teamchef ein: "Dabei dann noch zuzusehen, ist nicht so einfach, denn das hätte damit enden können, dass wir alle 43 Punkte verlieren." Horners Appell in Richtung Vettel lautete daher: "Man darf nie vergessen: Es gibt in der F1 zwei Elemente - den Fahrer- und den Konstrukteurstitel." Der Deutsche zeigte sich im Anschluss reumütig und einsichtig. "Ich habe einen großen Fehler gemacht. Ich hätte da bleiben sollen, wo ich war. Ich hab's verbockt", räumte Vettel die Schuld ein.
Großer Blitzeinschlag folgte im Ziel
"Ich will ehrlich sein und die Wahrheit sagen und mich entschuldigen, auch wenn ich weiß, dass das Mark jetzt auch nichts mehr hilft", meinte der Red-Bull-Pilot. An seinen Teamkollegen gerichtet, sagte der 25-Jährige: "Ich entschuldige mich bei Mark, aber das Ergebnis ist so, wie es ist. Ich habe es nicht mit Absicht gemacht." Trotzdem sei sein Fehlverhalten nicht zu leugnen. "Mark hat versucht, das Auto und die Reifen zu schonen. Es hätte mir klar sein müssen, aber ich habe das große Risiko in Kauf genommen, um trotzdem an ihm vorbei zu ziehen." Dabei sei er sich nicht bewusst gewesen, was er damit anrichte. "Sonst hätte ich sicher nicht so attackiert." Doch schon im Rennen hatte er mit seiner Forderung ans Team - "Mark ist zu langsam - räumt ihn aus dem Weg!" - für Kopfschütteln bei den Beobachtern gesorgt. Auf die Frage nach seinem Befinden nach dem Sieg sagte Vettel: "Es geht mir nicht gut. Aber so ist das im Leben, wenn man die Chance hatte, etwas anders zu machen. Wenn ich das jetzt noch könnte, würde ich es..."
Bereits kurz nachdem er den Helm abgenommen habe, hätte er an den Reaktionen seines Teams gesehen, was los sei. "Die Hauptlehrstunde ist heute, dass ich es hätte besser machen und wissen müssen." Er habe in jedem Fall vor, noch einmal das Gespräch mit Webber zu suchen. "Als ich gesehen habe, dass Mark nicht glücklich war, hat das die Situation für mich erst auf den Punkt gebracht. Dann schlägt es ein wie ein Blitz." So oder so bestehe nun eine Menge Gesprächsbedarf. "Ich bin nicht stolz darauf, aber trotzdem gibt es viel, worüber man sich freuen kann, denn das Ergebnis ist sehr gut für das Team. Auch haben wir mit den Reifen viel besser hausgehalten als wir das zunächst dachten, und uns dadurch erst in diese starke Position bringen können." In Bezug auf den Anfang seines Rennens erklärte der Heppenheimer: "Vielleicht habe ich zu früh zu viel gewollt."
Auch sein früher Reifenwechsel von Intermediates auf Trockenpneus sei etwas übereilt gewesen, meinte der Deutsche. Im Vergleich zu Webber verlor Vettel bei diesem auf seiner Outlap ganze elf Sekunden. "Es war einfach noch zu früh, denn an einigen Stellen war es noch sehr feucht und der Verkehr hat dann auch nicht geholfen, da hab ich die Führung verloren." Anschließend habe er versucht, an Webber dranzubleiben. "Ich hatte ja schon eine Ahnung, dass ich mit dem neuen Satz am Ende schnell sein und mehr Speed haben könnte. Dann wurde es ein enger Kampf und vielleicht hatte ich da etwas zu viel Selbstvertrauen, denn eigentlich war Mark ja vorne. Es war in jedem Fall ein heißes Rennen heute." Dass dies nicht nur ob der Temperaturen im Glutofen von Sepang zutraf, war anschließend auch Horner bewusst.
Grabesstimmung auf dem Siegertreppchen
Der Brite wusste sogleich um das Konfliktpotenzial der kontroversen Causa. "So etwas schafft natürlich großes Medieninteresse, aber wir setzen uns mit Sicherheit in Ruhe hin und diskutieren das." Das obligatorische Siegerfoto des Teams ließ man nach dem Vorfall aber auf jeden Fall gleich einmal ausfallen. Bereits die Gesichter von Webber, Vettel und dem um Vermittlung bemühten Adrian Newey auf dem Podium hatten nichts Gutes erahnen lassen. Da der Drittplatzierte Hamilton bei Mercedes intern in eine ähnliche Problematik verwickelt war, gab es in Malaysia wohl das schlechtgelaunteste Podest aller Zeiten zu bestaunen. Webber erbat sich derweil Verständnis für seine Wut.
"Natürlich sind da eine Menge Emotionen dabei, wenn man nach so einer Sache dann doch nicht an P1 ist." Er habe bei der Attacke Vettels jedenfalls kaum seinen Augen trauen können. "Ich habe gedacht, das Team geht richtig damit um, denn man hatte mir bereits gemeldet, dass der Druck weg sei und wir nicht gegeneinander fahren sollen." Immerhin den Rest seines Rennens wollte Webber aber positiv sehen. "Ich bin zufrieden, wie es gelaufen ist und wie ich gefahren bin. Auch bleibt es ein gutes Teamergebnis", so der Routinier, der angab, sich vor dem Start im Nassen noch Sorgen gemacht zu haben, wie sich die Performance entwickeln würde. "Es ist ja nicht so, dass man auf Intermediates einfach drauf los fährt - man musste schon sehr auf seine Reifen achten."
"Fahrerisch kann man bei diesen Bedingungen mit den intermediates viel falsch machen... so wie Fernando", konnte sich Webber einen Seitenhieb auf den in Runde zwei ausgeschiedenen Alonso nicht verkneifen. Sein eigenes Rennen sei anschließend jedenfalls nach Plan verlaufen. "Wir hatten vom Start weg die richtige Strategie, am Anfang lief alles gut. Wir haben das Rennen kontrolliert und die Reifen geschont, so wie alle an der Spitze - das musste man auch. Obwohl Lewis und Nico nah dran waren, hat bis zu diesem Zeitpunkt alles prima funktioniert." Auf die starke Pace der Mercedes-Piloten zu Mitte des Rennens habe er reagiert und sei von diesen wieder etwas weggezogen. "Das Team hat bis dahin einen guten Job gemacht und ja... eigentlich war ich in einer guten Position, um das Rennen vorne zu Ende zu fahren", schüttelte der Mann aus Queanbeyan den Kopf.
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