Dan Wheldon ist tot. Diese Nachricht schockiert Motorsportfans weltweit. Der lebenslustige Engländer hinterlässt seine Ehefrau Susie und die beiden Kinder Sebastian und Oliver, von denen Letzterer erst im März dieses Jahres geboren wurde. Unsere Gedanken sind bei ihnen, seiner Familie und seinen Freunden. Das Unglück von Las Vegas macht sprachlos und traurig. Motorsport ist ein sehr gefährlicher Sport und die Gefahr fährt immer mit - doch in den letzten Jahren ist diese Erkenntnis auf Grund der sich stetig verbessernden Sicherheitsmaßnahmen oftmals in Vergessenheit geraten.
Das IndyCar-Fahrerlager wurde von den grauenhaften Ereignissen in Las Vegas wie vom Blitz getroffen. Bereits direkt nach dem Massencrash, in den 15 Fahrzeuge verwickelt waren, wurde klar, dass es nicht gut um Wheldon stand. Sofort kamen Erinnerungen an Greg Moore hoch, der 1999 ebenfalls beim Saisonfinale tödlich verunglückte und seinerzeit auch als eines der größten Talente der Szene galt. Als nun am Sonntag, zwei Stunden nach dem Rennabbruch, die traurige Gewissheit verkündet wurde, herrschte Fassungslosigkeit - langsam geht diese bei allen Betroffenen jedoch auch in Wut über, denn der GAU in der Wüste von Nevada ist nicht unerklärlich und hätte verhindert werden können.
Stimmen zum Tod von Dan Wheldon
Bereits vorab hatten die Veranstalter mit der Rekordsiegesprämie von fünf Millionen Dollar ins Spielerparadies gelockt. Der Effekt war klar: Jeder wollte mitfahren - alte Recken, die den Helm eigentlich schon an der Nagel gehängt hatten, kehrten mit wenig Fahrpraxis ebenso an die Rennstrecke zurück, wie junge, unerfahrene Piloten, die in Las Vegas ihr Glück versuchen wollten. Ausgerechnet Wheldon sagte im Vorfeld: "Mit so einer Karotte am Ende der Stange, peile ich natürlich wieder den Sieg an." Das Millionenspiel und die Jagd auf die Rekordprämie war eröffnet - ohne Rücksicht auf Verluste.
In Las Vegas war mit 34 Teilnehmern das bisher größte Starterfeld der IndyCar-Geschichte, außerhalb eines Indy-500-Events, eingeschrieben. Die Offiziellen müssen sich die Frage gefallen lassen, ob das 1,5 Meilen-Oval mit dem für die IndyCars unvorteilhaften Neigungswinkel von 20 Grad - der große Speedway in Indianapolis ist eine Meile länger und bietet wesentlich mehr Platz - nicht viel zu klein und völlig ungeeignet für das große Spektakel war. Es gab Vorboten für das tragische Ende - nur wurden diese bei allem Trubel und der ganzen Show sorglos außer Acht gelassen. Die Branche hat die Verpflichtung, die Tragödie nun genauestens zu beleuchten und sich zu fragen, wie es so weit kommen konnte: Nur so bleibt der Tod Dan Wheldons nicht umsonst.
Der Engländer war ein ausgewiesener Oval-Spezialist und verfügte als ehemaliger Meister und zweifacher Indy-500-Sieger über die größtmögliche Erfahrung. Nachdem sich der 33-Jährige nach zuletzt schwierigen Jahren, durch seinen überraschenden zweiten Sieg beim Klassiker in diesem Mai sportlich gerade rehabilitiert hatte, strebte er in Las Vegas den nächsten großen Wurf an. Zur besseren Vorbereitung auf das Rennen fuhr er extra noch beim vorletzten Lauf in Kentucky mit. Zum Verhängnis wurde ihm im Finale dann aber auch, dass er - obwohl er als einer der Favoriten galt - ungeachtet seiner Qualifying-Leistung, von hinten starten und dadurch wie mit dem Messer zwischen den Zähnen durch das Feld pflügen musste.
Bis zu seinem Unfall hatte er bereits zehn Plätze gutgemacht. Wie so oft bei derartigen Unglücken, war Wheldon dann einfach zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort. Titelaspirant Will Power, der im Zuge der Massenkollision hinter Wheldon ebenso über das Heck eines vor ihm fahrenden Autos aufstieg und in die Fangzäune schleuderte, kam weitestgehend unbeschadet davon. Im Fall des verstobenen Wheldon sprach Serien-Chef Randy Bernard nach dem Rennen jedoch von "Verletzungen, die nicht zu überleben waren".
Damit steht auch der Sicherheitsaspekt im Fokus. Wheldons Wrack wies besonders im Bereich des völlig zerstörten Überrollbügels riesigen Schaden auf - genau jener ist aber überlebenswichtig. Die Geschwindigkeiten im Oval sind horrend, doch zumindest die Fahrgastzelle ist dafür gebaut, auch bei diesen enormen Belastungen intakt zu bleiben. Das Finale in Las Vegas sollte den Abschied des seit vielen Jahren eingesetzten Dallara-Chassis und seinem damit leider auch seit mehr als einem halben Jahrzehnt veralteten Sicherheitskonzept markieren.
2012 fährt die IndyCar-Series mit einem neuen Boliden, dessen Sicherheit als runderneuert gilt und der mit neuen Maßstäben eine glorreiche Zukunft für die Serie einläuten soll. Als offizieller Testpilot war ausgerechnet Dan Wheldon maßgeblich an der Entwicklung des neuen IndyCars beteiligt - für ihn kommt dieses Auto nun ein halbes Jahr zu spät.
diese IndyCar Redaktion