Jo Gartner mag für die heutige hypermediale Formel 1-Welt bestenfalls noch eine historische Randerscheinung sein. In den Herzen seiner Freunde und Bewunderer lebt die Erinnerung an den Wiener Ingenieur, der sich seinen Traum von der Formel 1 unter heute unvorstellbaren Bedingungen erfüllte weiter.
Genau 20 Jahre ist es her, dass Jo Gartner beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans ums Leben kam. Er sollte eigentlich bei diesem Nacht-Turn gar nicht mehr im Auto sitzen. Auf der schnellsten Stelle der Strecke, der Mulsanne-Geraden brach am Porsche etwas. Jo hatte keine Chance. "Ich bin mir sicher, dass ich ein ganz normales Alter erreichen werde", hatte er einige Wochen zuvor bei einem TV-Interview im ORF gesagt. Er starb mit 32. Genickbruch, das war das einzige bisschen Trost für seine engsten Vertrauten.
Die Zeit heilt viele Wunden, heißt es. Auf seinem Grab am Döblinger Friedhof in Wien stehen auch heute wie so oft frische Blumen. Die riesengroße Reklametafel im 2. Bezirk, die zur "Peugeot-Werkstätte Ing. Jo Gartner" führte, hing noch Jahre nach seinem Tod. Man hat sie mittlerweile durch eine neue ersetzt. Der Name Gartner steht immer noch drauf.
Jo Gartner zählte zu der seltenen Spezies Fahrer, die auch Autos bauen konnten. In seinem Formel 2-Projekt war er Konstrukteur, Ingenieur, Teamchef und Fahrer in einer Person. 1983 in Pau konnte er mit einem Sieg für einmal ins Rampenlicht treten - oder zumindest das, was man damals als Rampenlicht bezeichnete. Jeder durchschnittliche Formel 1-Fahrer hatte damals weniger Publicity als ein heutiger Formel 3-Pilot.
Gartner war dickköpfig und undiplomatisch, man kann es aber auch als zielorientiert und ehrgeizig deuten. Dieser konsequente Weg brachte den fahrenden Ingenieur 1984 mit einem finanziellen Drahtseilakt in die Formel 1 zu Osella.
Mit einem uralten Alfa V12-Saugmotor musste er gegen den turbo-befeuerten Platzhirschen im Team, Piercarlo Ghinzani antreten - auf heutige Verhältnisse in einem Super Aguri mit Drehzahllimit. Gartner stellte die brustschwache Kiste in die Startaufstellung in Brands Hatch, Ghinzani im Turbo-Osella war langsamer und musste zusehen. Bald sah sogar Osella ein, dass sie dem Wiener ebenfalls brauchbares Material geben sollten.
Mit WM-Kandidat Niki Lauda im McLaren und dem Youngster Gerhard Berger im ATS bildete er ein österreichisches Triumvirat, das in Monza 1984 Geschichte schrieb. Lauda siegte, Gartner holte im Osella mit den letzten Tropfen Benzin Rang 5, Berger wurde 6. Die Sternstunde schlechthin!
Doch für alle drei nebeneinander war in der Formel 1 kein Platz. Im Winter stach Berger dank der stärkeren Seilschaft Jo im Kampf um das Arrows-Cockpit aus. Gartners Abneigung gegen Bündnisbildungen und politische Pakte hatte ihn nach nur 8 Rennen seine Formel 1-Karriere gekostet.
1985 fuhr er Sportwagenrennen, gewann mit Strietzel Stuck unter anderem die 12 Stunden von Sebring. Er arbeitete unvermindert am Formel 1-Comeback. Im langen Schatten der Legende Niki Lauda verblassten aber die Leistungen aller Österreicher - im historischen Rückspiegel äußerst ungerechtfertigt. An freien Sonntagen stand er immer noch als Ministrant in der Kirche beim Gottesdienst. Jo Gartner hatte Prinzipien, die er über alles Geschäftliche stellte.
Geblieben sind ein paar verwaschene Fotos, Zeitungsartikel und ein Eintrag als historische Fußnote im großen Geschichtsbuch der Formel 1. Als Mensch, als Kämpfer war Jo Gartner auf Augenhöhe mit den Champions. Diejenigen, die ihn heute noch mit denselben kindlichen Augen der Bewunderung sehen haben ihn nicht vergessen. Viele davon würden sich wünschen, wenigstens ein bisschen von Jo Gartners Geradlinigkeit in der heutigen Formel 1-Generation zu sehen.
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