Erwartet hatte man den ersten Sieg von Kimi Räikkönen und Lotus ja schon seit einiger Zeit - aber immer wieder kam etwas dazwischen, in der zweiten Saisonhälfte schien Lotus dann auch eine ganze Weile nicht mehr ganz so stark wie in der ersten. Und als es dann in Abu Dhabi passierte, ausgerechnet in einem Rennen, das so im Zeichen der Aufholjagd von Sebastian Vettel stand, bekam Räikkönen ein bisschen wenig von der eigentlich verdienten Aufmerksamkeit ab.
Wobei das dem Finnen möglicherweise gerade recht kam. Schließlich ist es ja nun wirklich nicht dieser Teil der Formel-1-Szene, mit dem er sich am liebsten beschäftigt. Und wenn er so nach dem Rennen mehr Ruhe hatte, als es normalerweise der Fall ist, wenn ein früherer Weltmeister nach zwei Jahren "Pause" in der Rallyewelt in die Formel 1 zurückkommt und zeigt, dass er absolut nichts verlernt hat, dann war das sicherlich kein Grund zur Aufregung für den Finnen.
Viele hatten ja vor der Saison Zweifel, ob das denn etwas werden würde mit diesem Comeback - vor allem, weil sich ja Michael Schumacher so schwer getan hatte. Und wenn schon der harte Arbeiter und Trainierer Schumi solche Probleme hatte, wie sollte das dann Räikkönen schaffen, dem ja schon der Ruf voraus- und hinten nach eilte, das Arbeiten, den Fleiß, gesunden Lebensstil und hartes Training nicht unbedingt erfunden zu haben?
Doch das Naturtalent Räikkönen strafte alle Lügen, schaffte mit seinem Fahrgefühl, seinem Instinkt und seinem extremen Speed gleich wieder das, was viele andere sich mühsam erarbeiten müssen. Vor allem das große Thema der Saison, die Reifen, war für den Finnen nie wirklich eines, mehr als einmal äußerte er eine gewisse Verwunderung darüber, was denn bloß alle damit hätten, das sei doch nun alles keine Wissenschaft. Wobei Pirelli-Chef Paul Hembery beobachtet: "Er macht sich da wirklich keine Gedanken darüber, fragt auch nicht groß nach. Er macht einfach instinktiv alles richtig."
Und genauso wenig, wie er sich über die Reifen Gedanken macht, macht er sich eben auch darüber Gedanken, wie es nach außen wirken könnte, wenn er seinem Renningenieur Mark Slade über Funk deutlich zu verstehen gibt, er solle doch endlich die Klappe halten und mit seinen gut gemeinten Ratschlägen aufhören: "Lasst mich in Ruhe! Ich weiß schon, was ich tue."
Er wisse, dass "die Jungs ja versuchen zu helfen, aber man muss ja nicht zweimal pro Minute das gleiche sagen. Ich bin nicht so doof, dass ich mir nicht merken kann, was ich gerade tue", erklärte er trocken nach dem Rennen - und sorgte damit für noch mehr amüsiertes Schmunzeln bei den Zuhörern. Womit er gleichzeitig bewies, dass er trotz einer gewissen Vorliebe für einsilbige Antworten und Standardfloskeln wie "I don't know" auch einen nicht unerheblichen Unterhaltungswert in der Showwelt Formel 1 haben kann.
Allerdings nicht dann, wenn er quasi auf Bestellung, etwa bei einem Medien- oder Sponsorentermin, etwas Unterhaltsames abliefern soll. Dann fühlt er sich nicht wohl in seiner Haut, in ein fremdes Konzept hinein gezwungen, und dementsprechend kommt dann auch meist wenig bis nichts dabei heraus, bleibt bei allen Beteiligten nicht mehr als eine Portion schlechte Stimmung zurück.
Dass Lotus ihm in dieser Beziehung sehr viele Freiheiten lässt, viel mehr als er bei McLaren oder zuletzt bei Ferrari je hatte, ist sicher eines der Geheimnisse hinter dem erfolgreichen Comeback. Soweit es eben irgendwie geht, darf er sich auf das konzentrieren, was ihm am meisten Spaß macht: das Fahren. Und auch da nur auf das, was ihm wirklich etwas bedeutet: Rennwochenenden. Simulatortraining? "Wozu?", fragt Kimi, "ist nicht mein Ding. Von drei Runden auf der Strecke habe ich mehr..." Für einen Tag zum Testen nach Mugello kommen, wo es dann womöglich noch regnet? Überflüssig - soll doch Grosjean fahren.... Was anderswo für einen Eklat gesorgt hätte, dass Kimi damals im Mai einfach keine Lust auf den Mugello-Testtag hatte, bei Lotus wurde es stillschweigend mehr oder weniger akzeptiert und unter den Teppich gekehrt. Räikkönens Dank dafür ist der Erfolg.
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