Eines vorweg: Runden- und Bestzeiten spielen bei Testfahrten eine untergeordnete Rolle. Keiner weiß, welche Programme die Teams fahren oder mit wie viel Sprit an Bord die Autos unterwegs sind. Ein klein wenig kann man allerdings schon aus den Zeiten herauslesen und vor allem regen sie zum Rätselraten an: wie stark sind denn nun die neuen Autos und wer geht als Favorit in die Saison. In Jerez stiehlt bislang ein Team den Großen die Schau: Lotus. Kimi Räikkönen sorgte mit seiner Bestzeit zum Auftakt in Südspanien für Schlagzeilen und Teamkollege Romain Grosjean musste sich bei der Zeitenhatz am Donnerstag lediglich Nico Rosberg im alten Auto geschlagen geben.
Immerhin war der Franzose im E20 rund acht Zehntel schneller als Topfavorit Sebastian Vettel im RB8, der am Donnerstag erstmals im neuen Red Bull Platz nahm. Bei Lotus ist man darauf bedacht, den Ball flach zu halten und keine unnötige Euphorie zu schüren. So wollte Räikkönen seine Zeit nicht überbewerten, obwohl sie gut fürs Ego gewesen sei. Grosjean konnte hingegen nicht so ganz an sich halten und so platzte es nach P2 aus ihm heraus: "Ich bin im Moment der glücklichste Kerl auf der Welt!" Vorrangig meinte der amtierende GP2-Champ damit wohl sein Streckendebüt im E20, doch die gute Rundenzeit könnte auch eine kleine Rolle gespielt haben.
"Der Lotus sieht ziemlich beeindruckend aus", musste auch Lewis Hamilton angesichts des schwarz-goldenen Autos zugeben. Lob auch aus dem Weltmeister-Lager. "Im Moment sind sie schneller und konstanter", meinte Vettel, der am dritten Tag die drittschnellste Zeit fuhr. "Über uns, Ferrari und McLaren schweben mehr Fragezeichen." Rätselraten auch bei Mark Webber, der wissen wollte, auf welchen Reifen Grosjean bei seiner schnellsten Runde unterwegs war. Es waren Pirellis Medium-Mischungen. "Dann war das eine gute Runde. Wenn Grosjean diese Rundenzeiten fahren kann, dann müssen wir auf Kimi aufpassen", stellte der Australier anerkennend fest.
Eric Boullier wollte sich unterdessen nicht zu weit aus dem Fenster lehnen, was die Performance des eigenen Konstrukts im Vergleich zur Konkurrenz anging. "Für den ersten Test sieht es gut aus", sagte der Lotus-Teamchef. "Man kann aber über nichts spekulieren. Zwischen hier und Melbourne werden sich die Autos noch stark verändern. Es ist wahr, dass wir ein gutes Auto haben, wir konnten viele Runden fahren und deshalb sind wir vorn dabei."
Keke Rosberg, der sich in Jerez die Bestzeit seines Sohnes Nico live an der Strecke anschaute, meinte, dass Red Bull und Lotus den bislang besten Eindruck machen würden. "Das Auto lässt sich leicht fahren und ist überall vorhersehbar", lobte Grosjean die Neuentwicklung. "Vor allem in den Kurven, und wenn man übers Limit geht, ist es einfach, wieder zurückzukommen." Teamkollege Räikkönen lotete am zweiten Testtag gleich zwei Mal die Grenzen des E20 - und der neuen Reifen - aus und unternahm einen ungeplanten Ausflug ins Kiesbett.
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