Philippe Gurdjian gilt im Fahrerlager der Formel 1 seit Jahren als der Spezialist für die Strukturierung und Organisation des Aufbaus neuer Grand-Prix-Strecken und Sicherheitsfragen auf den Kursen. Der Franzose, der seinen beruflichen Hintergrund in der Werbewelt hat, war ab 1985 Streckenchef des französischen Grand Prix und für die Events in Magny Cours und Paul Ricard verantwortlich. Zudem war er als Berater für die Verantwortlichen des ersten Rennens in Malaysia 1999 tätig. Seitdem betreut er auch weitere Strecken und arbeitet eng mit Bernie Ecclestone an der Konzipierung neuer Events zusammen. Am Rande des Monaco-Grand-Prix bat ihn Motorsport-Magazin.com daher zum Gespräch.

Sie sind Spezialist in Sachen Strecken-Infrastruktur und auch in Sicherheitsfragen. In Monaco haben wir besonders am Ausgang des Tunnels schwere Unfälle gesehen. Wie lautet Ihre Einschätzung dazu?
Philippe Gurdjian: Ich denke, zu allererst einmal gibt es dort nach dem Tunnel ein kleines Problem mit der Strecke. Es gibt dort eine Bodenwelle und wenn man genau an diesem Punkt bremst, bekommt man ein Problem, das Auto bricht aus und man landet in den Leitschienen. Zum Glück haben aber gerade beim zweiten Unfall von Perez die Sicherheitsmaßnahmen sehr gut gegriffen und er wurde sehr gut geschützt. Der Aufprallschutz war ein System, dass wir vor langer Zeit auch erfolgreich auf dem Circuit Paul Ricard entwickelt haben. Es hat hier sehr gut funktioniert, denn die Geschwindigkeit an dieser Stelle ist für einen seitlichen Aufprall doch recht hoch. Trotzdem hat man als Fahrer nach so einem Unfall fast gar nichts, außer vielleicht ein bisschen Kopfweh.

Können Sie erklären, wie dieser Aufprallschutz dort genau funktioniert?
Philippe Gurdjian: Er besteht dort aus einer Art Block, mit etwas Metall und einer Art Sperre darin. Wenn man dann dort einschlägt, dämpft das den Unfall ab. Durch den ständigen Fortschritt kann man sagen, dass wir es, seitdem wir mit diesem System angefangen haben, geschafft haben, die G-Kräfte bei einem solchen Aufprall, um 50 Prozent zu reduzieren.

Sergio Perez hatte auch wegen der ausgereiften Sicherheitstechnik Glück im Unglück - trotz seines heftigen Unfalls in Monaco kam er ohne größere Verletzungen davon, Foto: Sutton
Sergio Perez hatte auch wegen der ausgereiften Sicherheitstechnik Glück im Unglück - trotz seines heftigen Unfalls in Monaco kam er ohne größere Verletzungen davon, Foto: Sutton

Inwiefern ist Monaco ganz allgemein ein besonderer Kurs und dann speziell auch in Bezug auf den Aufbau und die Infrastruktur der Sicherheit?
Philippe Gurdjian: Was hier geleistet wurde, ist schon sehr gut. Es gibt vielleicht an einigen Stellen noch zu viele Reifenstapel und es wäre besser, wenn sie überall nur noch so einen Aufprallschutz aufbauen würden, so wie das ja zum Beispiel auch in Singapur oder in Abu Dhabi der Fall ist. Das Reifenstapel-System ist veraltet, es funktioniert nicht mehr. Wir haben bei der Sicherheit einfach Fortschritte gemacht und man sollte diese neuen Systeme überall und auf der Strecke haben. Ganz allgemein bezogen, ist das was sie hier in Monaco gemacht haben, aber fantastisch. Sie haben großartige Arbeit geleistet und alle Streckenposten waren sehr effizient und gut trainiert. Die haben auch schon bei uns in Paul Ricard geübt. Wenn es dann am Rennwochenende ein Problem gibt, muss man einfach Leute mit Erfahrung an der Strecke haben, damit alles gut abläuft.

Kommen wir zu Ihnen persönlich. Sie sind ja immer sehr engagiert und ambitioniert. An welchen Projekten arbeiten Sie im Moment?
Philippe Gurdjian: Ach, das ist kompliziert. Nach 28 erfolgreichen Rennen, die ich geleitet habe und durch den Fakt, dass ich die schönsten Strecken auf der Welt gebaut, betreut und entwickelt habe - wie etwa Paul Ricard, Abu Dhabi, Bahrain, Sepang, Barcelona und Magny Cours - muss ich nun eine neue Strecke finden, die noch attraktiver ist. Ich weiß noch nicht welche das sein wird. Es sollte zwar bald passieren, aber mit der Wirtschaftskrise ist es natürlich komplizierter geworden als in der Vergangenheit. Der einzige Punkt ist aber wirklich: Es muss an einem ansprechenden Ort sein, denn man muss einfach die Zuschauer und die Gebäude, kurzum die passenden Rahmenbedingungen für einen Formel-1-Grand-Prix haben. Hier in Monaco gibt es ja zum Beispiel den ganzen Glamour, den Hafen, die Restaurants und die Riviera.

Man muss also an einen Ort gehen, wo bereits viele dieser Dinge existieren und man nicht alles erst ganz neu erschaffen muss?
Philippe Gurdjian: Ja, ganz genau. So war es zum Beispiel auch, als ich angefangen habe, in Barcelona zu arbeiten. Das war einfach der richtige Ort dafür. Dort gibt es Restaurants, zwei Autobahnen zur Strecke, Museen, schöne Geschäft und viele weitere Dinge. Es ist ja auch so: Man kommt zu einem Grand Prix, aber dieser dauert nur zwei Stunden. Wir alle kennen ja die Regeln. Trotzdem muss man dafür reisen, in ein Flugzeug steigen und sich ein Hotel buchen. Es muss dort also viel Hotels geben und insgesamt einfach einen guten Standort. In meinen Augen sind also auch das Marketing und die Möglichkeiten in der Umgebung des Rennens sehr wichtig.

In Texas laufen die Bauarbeiten und bald soll die Formel 1 in Austin an den Start gehen - für Gurdjian nicht gerade der ideale Ort für ein Rennen, Foto: formula1unitedstates.com
In Texas laufen die Bauarbeiten und bald soll die Formel 1 in Austin an den Start gehen - für Gurdjian nicht gerade der ideale Ort für ein Rennen, Foto: formula1unitedstates.com

Abu Dhabi war nun aber doch genau das Gegenteil - dort haben Sie absolut bei Null angefangen?
Philippe Gurdjian: In Abu Dhabi und dieser ganzen Region kann man so etwas aber auch machen, denn die haben einen sehr langfristigen Zukunftsplan. Die wollen zum Beispiel auch Museen bauen, das Guggenheim, den Louvre und all diese ganz speziellen Dinge. Es gibt vor Ort bereits viele Hotelanlagen und das Klima ist dort auch im November noch sehr gut. Diese Dinge funktionieren dort also. Aber man muss sicherlich auch bedenken, dass es an der Strecke dafür nur limitierte Kapazitäten gibt, wie etwas die begrenzte Zuschauerzahl von 50.000 Leuten, was nicht viel ist. Und von diesen 50.000 sind nochmals 20.000 VIP-Plätze. Das ist natürlich schon sehr unterschiedlich zu allen anderen Veranstaltungsorten, an anderen Plätzen auf der Welt.

Sie sprechen über attraktive Orte für neue Projekte. Wo könnte das sein? Haben Sie eine Liste mit Plätzen, an denen Sie gerne einen Grand Prix stattfinden sehen würden?
Philippe Gurdjian: Wie Sie sich vorstellen können, habe ich schon ein paar Ideen, denn ich diskutiere mit Bernie Ecclestone schon länger über verschiedene neue Projekte. Ich nenne jetzt nur ein Beispiel, aber der einzige Platz, wo wir meiner Meinung nach zum Beispiel ein Rennen in Russland abhalten sollten, ist St. Petersburg. Sotchi ist meiner Meinung nach hingegen nicht der richtige Platz dafür.

Sind Sie auch an der Organisation des neuen Rennens in Amerika beteiligt?
Philippe Gurdjian: Nein, das bin ich nicht und ich bin mir auch bei Austin nicht sicher, ob das der richtige Platz für einen Grand Prix ist. Der passende Ort für so ein Event ist schon sehr wichtig. Die Formel 1 ist ein Business. Man braucht Sponsoren und muss dann auch mit den Fahrern dort werben können. Auf Austin bezogen muss ich zugeben, dass ich noch nie dort war. Aber es klingt nicht gerade nach einem Ort, in den ich in meinem Urlaub fahren würde. Da würde es mich persönlich schon eher nach New York oder nach Las Vegas ziehen.