Vom Ersatzfahrer zum Top-Timer: Für Nick Heidfeld hätte es am dritten Tag der Testfahrten in Jerez nicht besser laufen können. Der 33-Jährige hatte den Lotus Renault von Vitaly Petrov übernommen und bereits bei den ersten kurzen und mittellangen Runs die Zeit seines russischen Bald-Kollegen um sechs Zehntel unterboten. Bei den ersten Longruns am Nachmittag verblüffte Heidfeld dann alle mit der Bestzeit: 1:20,361 standen nach 86 Runden zu Buche.
Heidfeld hatte zwar angekündigt, nicht mit Topzeiten beeindrucken zu wollen, sondern dem Team zu helfen - doch sein Name ganz oben auf der Liste dürfte das beste Argument für seine Rückkehr in die Königsklasse sein. Bereits am Mittag hatte Renault-Teamchef Eric Boullier mitgeteilt: "Es läuft gut." Wobei "gut" hier stark untertrieben ist. Der nagelneue R31 scheint wirklich so stark zu sein, wie es viele Experten bereits vermutet hatten.
Trotz der Bestzeit hielt sich Heidfeld nach seinem ersten Test zurück. "Es ist schwierig, die Rundenzeiten einzuschätzen, weil man nicht weiß, wie viel Benzin die anderen Teams an Bord hatten. Meine ersten Eindrücke des Autos waren positiv, obwohl es immer etwas zum Verbessern gibt." Am Sonntag soll wohl auch Ersatzfahrer Bruno Senna die Möglichkeit bekommen, den R31 über den Kurs zu pilotieren.
50.000 Fans feuern Alonso an
Hinter "Quick Nick" reihte sich Lokalmatador Fernando Alonso ein. Der Ferrari-Pilot wurde dabei von fast 50.000 begeistert angefeuert. Schon am frühen Morgen hatten Alonso-Anhänger für eineinhalb Stunden Stau vor dem Circuito de Jerez gesorgt – und für ungewöhnlich gut gefüllte Tribünen. Im neu getauften F150th Italia brauchte der zweifache Weltmeister 1:20,493 Minuten für seine schnellste Runde – also gut ein Zehntel mehr als Heidfeld. Wieder einmal zeigte sich Ferrari als Fleißbienchen: Nach Felipe Massas 116 Runden am Vortag absolvierte Alonso ganze 131 Runden. Um gesammelte Daten wird man sich bei der Scuderia keine Sorgen machen müssen.
Auch Michael Schumacher überzeugte wieder. Nach seiner Bestzeit am Vortag pilotierte der Rekordchamp seinen MGP W02 auf den dritten Rang. Am Freitag hatte sich Mercedes noch vorwerfen lassen müssen, dass die Bestzeit eher der allgemeinen Beruhigung dienen sollte. Der 42-Jährige war mit superweichen Reifen und einem recht leeren Tank unterwegs gewesen. Insgesamt spulte Schumacher 114 Runden ab. Am dritten Tag fuhr der Silberpfeil allerdings konstante Zeiten im oberen Drittel. Die Wende scheint zumindest eingeleitet.
Am viertschnellsten war Lewis Hamilton unterwegs. Der McLaren-Pilot hielt sich in Sachen Runden allerdings stark zurück. Immer wieder drehte der Brite ein, zwei Runden, um dann wieder in der Boxengasse zu verschwinden. Was genau die McLaren-Ingenieure am MP4-26 herumgeschraubt haben, ist noch nicht klar. Bereits am Vormittag hatte das Team viel Zeit verloren, weil Eratzteile offenbar nicht zur Verfügung standen.
Pechvogel-Award geht an Kobayashi
Der Pechvogel-Award des Tages geht ganz klar an Kamui Kobayashi. Der Sauber-Pilot hatte bereits eine halbe Stunde nach Testbeginn für die erste Rote Flagge gesorgt, weil der Tank leer war. Am Nachmittag folgte dann die zweite, als der Sensor des Boliden verdächtige Werte wiedergegeben hatte. Trotzdem reichte es noch für die fünftschnellste Runde des Tages.
"Wir hatten heute gebrauchte Reifen drauf und haben uns um allgemeines Setup gekümmert, um die Performance eher weniger", erklärte Sauber-Technikchef James Key. "Am Nachmittag testeten wir ein paar neue Entwicklungen und konzentrierten uns auf längere Runs, die wir aber wegen Motorproblemen abbrechen mussten. Morgen steht ein volles Testprogramm auf dem Plan."
Um Sebastian Vettel blieb es weitestgehend ruhig. Einstellungs-Fahrten standen im Fokus des Weltmeister-Teams, am Ende waren es 98 Runden. Wenige vereinzelte Longruns sorgten für Platz sechs in der Zeitentabelle.
Heikki Kovalainen verlor ein wenig Zeit, nachdem er sich mit seinem Lotus ungewollt von der Strecke verabschiedet hatte, doch nach 61 absolvierten Runden war der Finne zufrieden: "Es hat Spaß gemacht, den T128 zu fahren. Das Auto ist grundsätzlich gut und es wird noch eine Menge mehr kommen. Wir hatten leichte Probleme mit der Abgasanlage, konnten unser Programm aber durchziehen."
Williams knabbert weiter an Problemen herum
Und was war mit dem gebeutelten Williams? An den beiden Vortagen war der britische Bolide mehrere Male ausgefallen, Testrunden kamen kaum vor. Am dritten Tag blieb es zumindest einigermaßen ruhig: Rubens Barrichello drehte 91 Runden, obwohl es wieder Ärger mit dem KER-System gab.
"Nach ein paar Setup-Läufen hatten wir Probleme mit der Kühlung des KER-Systems" verriet Technikchef Sam Michael. "Wir mussten stoppen und ein paar Teile entfernen um sicherzustellen, dass das Auto sicher ist. Das hat uns drei Stunden gekostet. Am Nachmittag konnte Rubens noch wertvolle Daten für den Windkanal sammeln."
Für weitere Rote Flaggen sorgten am dritten Tag F1-Neuling Paul di Resta und Sebastien Buemi. Der Force-India-Pilot blieb auf der Strecke hängen, nachdem er schon den ganzen Tag lang Probleme mit den Bremsen gemeldet hatte.
Rote Laterne für d'Ambrosio - macht aber nichts
Buemi blieb zehn Minuten vor dem Session-Ende auf der Strecke liegen. Allzu schlimm kann es aber nicht gewesen sein, denn der 22-Jährige zeigte sich nach seinem ersten Test in Jerez zufrieden: "Das Team hat in der Entwicklung des Autos gute Arbeit geleistet, seit ich das letzte Mal in Valencia gefahren bin. Es bringt noch nichts, über die Performance zu sprechen, weil wir immer noch damit beschäftigt sind, alles zu verstehen."
Die Rote Laterne sicherte sich Jerome d'Ambrosio. Nach 72 absolvierten Runden hatte der Virgin-Pilot mehr als fünf Sekunden Rückstand auf Heidfeld. Macht nichts, gute Laune hatte der F1-Debütant trotzdem: "Es ist fantastisch, endlich das neue Auto fahren zu können. Ich konnte viele Runden absolvieren und habe viel Zeit im Auto verbracht - darum ging es heute. Ich habe mich schnell an den MVR-02 gewöhnt und hoffe, dass wir morgen weitere wichtige Informationen sammeln können."
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